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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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vor allem auf sich lenkt. Dies ist lediglich ein geringes zusätzliches Risiko, nichtsdestoweniger scheint es den Alarmruf, wenigstens auf den ersten Blick, als eine unserer Definition entsprechend altruistische Handlung zu qualifizieren.
    Die häufigsten und auffälligsten Handlungen tierischer Selbstlosigkeit werden von Eltern, insbesondere Müttern, gegenüber ihren Jungen erbracht. Sie brüten den Nachwuchs aus, entweder in Nestern oder in ihren eigenen Körpern, füttern ihn unter enormen Opfern und nehmen große Gefahren auf sich, um ihn vor Räubern zu schützen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Viele am Boden nistende Vögel vollführen ein wirkungsvolles Ablenkungsmanöver, wenn sich ein Räuber, beispielsweise ein Fuchs, nähert. Der Elternvogel hinkt vom Nest fort, wobei er einen Flügel schleifen läßt, als ob er gebrochen wäre. Der Räuber, der eine leichte Beute vor sich zu haben glaubt, wird vom Nest und den Küken fortgelockt.
    Schließlich gibt der Altvogel sein Täuschungsmanöver auf und schwingt sich gerade noch rechtzeitig in die Luft, um den Fängen des Fuchses zu entgehen. Er hat seinen Nestlingen höchstwahrscheinlich das Leben gerettet, sich dafür aber selbst einer gewissen Gefahr ausgesetzt.
    Ich versuche hier nicht, eine These aufzustellen, indem ich Geschichten erzähle. Ausgewählte Beispiele sind niemals ernstzunehmende Beweise für eine lohnenswerte Verallgemeinerung. Diese Geschichten sollen lediglich erläutern, was ich mit selbstlosem und selbstsüchtigem Verhalten auf der Ebene des Individuums meine. Dieses Buch wird zeigen, wie sich sowohl individueller Egoismus als auch individueller Altruismus durch das fundamentale Gesetz erklären lassen, das ich den Gen-Egoismus nenne.
    Doch zuvor muß ich mich mit einer besonders irrigen Erklärung für altruistisches Verhalten beschäftigen, weil diese sehr verbreitet ist und selbst in vielen Schulen gelehrt wird.
    Diese Erklärung beruht auf dem bereits erwähnten Mißverständnis, daß Lebewesen sich entwickeln, um Dinge „zum Wohl der Art“ oder „zum Wohl der Gruppe“ zu tun.
    Man kann sich leicht vorstellen, welche biologischen Tatsachen dieser Idee zugrunde liegen. Ein Großteil des Lebens eines Tieres dient der Fortpflanzung, und die Mehrzahl der in der Natur beobachteten Handlungen uneigennütziger Selbstaufopferung werden von Eltern für ihre Jungen vollbracht. „Den Fortbestand der Art sichern“ ist ein üblicher Euphemismus für die Fortpflanzung und als Konsequenz   der Reproduktion unbezweifelbar. Man braucht die Logik nur leicht zu überdehnen, um ableiten zu können, daß die „Funktion“ der Fortpflanzung darin besteht, die Art zu erhalten. Von hier aus ist es nur ein kleiner falscher Schritt bis zu dem Schluß, die Tiere verhielten sich im allgemeinen so, daß es dem Fortbestand der Art förderlich ist. Selbstlosigkeit gegenüber den Artgenossen scheint die logische Folge zu sein.
    Dieser Gedankengang läßt sich in etwas verschwommenen Darwinschen Begriffen ausdrücken. Die Evolution wirkt durch die natürliche Auslese, und natürliche Auslese bedeutet das Überleben der „am besten Angepaßten“. Aber sprechen wir dabei von den geeignetsten Individuen, den geeignetsten Rassen, Arten oder wovon sonst? Für einige Zwecke macht dies keinen großen Unterschied, doch wenn wir von Altruismus sprechen, ist es offensichtlich von entscheidender Bedeutung. Wenn es die Arten sind, die bei dem, was Darwin den Kampf ums Dasein nannte, miteinander konkurrieren, dann sieht man das Individuum wohl am besten als einen Bauern im Schachspiel an, der geopfert werden muß, wenn es das übergeordnete Interesse der Art verlangt. Um es etwas konventioneller auszudrücken: Eine Gruppe, zum Beispiel eine Art oder eine Population innerhalb einer Art, deren einzelne Angehörige bereit sind, sich selbst für das Wohlergehen der Gruppe zu opfern, wird mit geringerer Wahrscheinlichkeit aussterben als eine rivalisierende Gruppe, deren einzelne Mitglieder ihren eigenen selbstsüchtigen Interessen den ersten Platz einräumen. Daher wird die Welt überwiegend von Gruppen bevölkert sein, die aus sich selbst aufopfernden Individuen bestehen. Dies ist die Theorie der „Gruppenselektion“, die von Biologen, welche mit den Einzelheiten der Evolutionstheorie nicht vertraut waren, lange für richtig gehalten wurde. Sie kam in einem berühmten Buch von V. C. Wynne-Edwards zum ersten Mal an die Öffentlichkeit und wurde durch Robert Ardreys Buch Der

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