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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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Gesellschaftsvertrag   populär. Die orthodoxe Alternative dazu bezeichnet man gewöhnlich als „Individualselektion“, obwohl ich persönlich lieber von Genselektion spreche.
    Die Antwort des Verfechters der „Individualselektion“ auf das gerade vorgebrachte Argument würde kurz zusammengefaßt etwa folgendermaßen lauten: Selbst in der Gruppe der Altruisten wird es fast mit Sicherheit eine andersdenkende Minderheit geben, die sich weigert, irgendein Opfer zu bringen.
    Wenn es nur einen einzigen eigennützigen Rebellen gibt, der entschlossen ist, den Altruismus der übrigen auszunutzen, so wird er   per definitionem   mit größerer Wahrscheinlichkeit als sie überleben und Nachkommen haben. Seine Kinder werden seine selbstsüchtigen Merkmale mit einiger Wahrscheinlichkeit erben. Nach mehreren Generationen dieser natürlichen Auslese wird die „altruistische Gruppe“ von egoistischen Individuen wimmeln und von einer egoistischen Gruppe nicht zu unterscheiden sein. Selbst wenn wir die unwahrscheinliche Möglichkeit ins Auge fassen, daß ursprünglich zufällig rein uneigennützige Gruppen ohne irgendwelche Rebellen bestanden, so ist schwer einzusehen, was egoistische Individuen aus benachbarten egoistischen Gruppen daran hindern sollte, einzuwandern und der Reinheit der altruistischen Gruppen durch Einheirat ein Ende zu setzen.
    Der Verfechter der Individualselektion würde zugeben, daß Gruppen aussterben und daß die Frage, ob eine Gruppe ausstirbt oder nicht, vom Verhalten der einzelnen Angehörigen dieser Gruppe beeinflußt werden kann. Er mag sogar zugeben, daß die Individuen einer Gruppe – wenn sie nur die Gabe der Voraussicht besäßen – sehen könnten, daß sie langfristig gesehen ihrem Eigeninteresse am besten dienen, wenn sie ihre egoistische Gier zurückhalten, um die Zerstörung der gesamten Gruppe zu verhindern. Wie viele Male mag dies in den letzten Jahren der britischen Arbeiterbevölkerung gesagt worden sein? Aber das Aussterben von Gruppen ist ein langsamer Prozeß, verglichen mit dem raschen Hieb- und Stichwechsel des individuellen Konkurrenzkampfes. Selbst wenn es mit der Gruppe bereits langsam und unausweichlich bergab geht, gedeihen egoistische Individuen kurzfristig auf Kosten von Altruisten. Die britischen Bürger mögen mit prophetischen Gaben gesegnet sein oder nicht, die Evolution ist blind gegenüber der Zukunft.
    Obwohl die Theorie der Gruppenselektion heutzutage in den Reihen jener Fachbiologen, die die Evolution verstehen, wenig Unterstützung findet, hat sie tatsächlich eine große intuitive Anziehungskraft. Jede Generation englischer Zoologiestudenten ist aufs neue erstaunt, wenn sie von der Schule an die Universität kommt und feststellt, daß dies nicht die orthodoxe Auffassung ist. Dafür kann man sie kaum verantwortlich machen, denn im Nuffield Biology Teachers’ Guide,   der für die Biologielehrer an den höheren Schulen Englands geschrieben worden ist, finden wir den folgenden Satz: „Bei höheren Tieren kann das Verhalten die Form des Selbstmordes einzelner Individuen annehmen, um den Fortbestand der Art sicherzustellen.“ Der anonyme Autor dieses Leitfadens schrieb dies in rührender Unkenntnis der Tatsache, damit etwas Strittiges auszusagen. In dieser Beziehung stimmt er mit einem Nobelpreisträger überein. Konrad Lorenz spricht in seinem Buch Das sogenannte Böse   von den „arterhaltenden“ Funktionen aggressiven Verhaltens, wobei eine dieser Funktionen darin liegt, dafür zu sorgen, daß sich nur die geeignetsten Individuen fortpflanzen können. Dies ist ein Musterbeispiel für einen Zirkelschluß, doch ich will hier auf etwas anderes hinaus: Die Idee der Gruppenselektion ist so tief verwurzelt, daß offenbar weder Lorenz noch der Autor des Nuffield Guide sich bewußt waren, daß ihre Feststellungen zu der orthodoxen Darwinschen Theorie im Widerspruch stehen.
    Vor kurzem hörte ich ein weiteres köstliches Beispiel für diese Denkweise in einer ansonsten hervorragenden Fernsehsendung der BBC über australische Spinnen. Eine „Expertin“ berichtete, daß die große Mehrheit der jungen Spinnen als Beute anderer Arten endet, und sagte dann weiter: „Vielleicht ist dies der wirkliche Sinn ihres Daseins, da für den Fortbestand der Art nur wenige zu überleben brauchen!“
    Robert Ardrey benutzte in seinem Werk Der Gesellschaftsvertrag   die Theorie der Gruppenselektion dazu, die gesamte soziale Ordnung im allgemeinen zu erklären. Er sieht den

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