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Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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der Vertreter der Gruppenselektion wäre nicht erstaunt, wenn er feststellte, daß die Angehörigen rivalisierender Gruppen sich gegeneinander niederträchtig verhalten: Auf diese Weise begünstigen sie – wie Gewerkschaftler oder Soldaten – ihre eigene Gruppe in der Auseinandersetzung um begrenzte Ressourcen. Doch dann lohnt es sich zu fragen, wie der Verfechter der Gruppenselektion entscheidet, welche Ebene ausschlaggebend ist. Wenn die Selektion zwischen den Gruppen innerhalb einer Art sowie zwischen den Arten erfolgt, warum sollte es sie nicht auch zwischen größeren Gruppierungen geben? Arten werden zu Gattungen zusammengefaßt, Gattungen zu Ordnungen und Ordnungen zu Klassen. Löwen und Antilopen gehören beide – wie wir auch – der Klasse der Säugetiere an. Sollten wir dann nicht erwarten, daß Löwen „zum Wohl der Säugetiere“ darauf verzichten, Antilopen zu töten? Sicherlich sollten sie statt dessen lieber Vögel oder Reptilien jagen, um das Aussterben der Klasse zu verhindern. Doch was wird dann aus der Notwendigkeit, den Fortbestand des gesamten Stammes der Wirbeltiere zu sichern?
    Nun ist es natürlich schön und gut, wenn ich mit dieser Erörterung die Gruppenselektion ad absurdum   führe und damit auf ihre schwachen Punkte aufmerksam mache; die augenscheinliche Existenz individueller Uneigennützigkeit bleibt deshalb jedoch immer noch zu erklären. Ardrey geht soweit zu behaupten, Gruppenselektion sei die einzig mögliche Erklärung für Verhaltensweisen wie beispielsweise die „Prellsprünge“ der Thomsongazellen. Diese kraftvollen und auffälligen Sprünge vor den Augen eines Räubers entsprechen den Alarmrufen der Vögel, da sie die Gefährten vor der Gefahr zu warnen scheinen und dabei offensichtlich die Aufmerksamkeit des Räubers auf das springende Tier selbst lenken. Wir müssen eine Erklärung für das Prellen der Thomsongazellen und ähnliche Phänomene liefern; ich werde mich damit in späteren Kapiteln auseinandersetzen.
    Zuvor muß ich für meine Überzeugung eintreten, daß man die Evolution am besten anhand der Selektion betrachtet, die auf der allerniedrigsten Stufe auftritt. In dieser Überzeugung bin ich stark von G. C. Williams’ großartigem Buch Adaptation and Natural Selection   beeinflußt. Den zentralen Gedanken, auf den ich mich stützen werde, hat A. Weismann schon zu Beginn des Jahrhunderts, das heißt zu einer Zeit, als das Gen noch nicht entdeckt war, mit seiner Lehre von der „Kontinuität des Keimplasmas“ vorweggenommen. Ich werde zeigen, daß die fundamentale Einheit für die Selektion und damit für das Eigeninteresse nicht die Art, nicht die Gruppe und – streng genommen – nicht einmal das Individuum ist. Es ist das Gen, die Erbeinheit. 4 Einigen Biologen mag dies zunächst extrem erscheinen. Sobald sie aber sehen, in welchem Sinne ich dies meine, werden sie, wie ich hoffe, zugeben, daß meine Auffassung im wesentlichen der anerkannten Lehrmeinung entspricht – wenn ich sie auch auf etwas ungewohnte Weise ausdrücke. Es braucht einige Zeit, den Gedankengang zu entwickeln, und wir müssen am Anfang beginnen, unmittelbar mit dem Ursprung des Lebens selbst.
     

2. Die Replikatoren
    Am Anfang war Einfachheit. Es ist schwierig genug zu erklären, wie ein auch nur einfaches Universum begann. Ich glaube, wir sind uns darin einig, daß es noch schwieriger wäre, das plötzliche Entstehen einer vollständig entwickelten komplexen Ordnung zu erklären – des Lebens oder eines Wesens, das in der Lage ist, Leben zu schaffen. Die Darwinsche Lehre von der Evolution durch natürliche Auslese ist überzeugend, weil sie uns einen Weg zeigt, wie aus der Einfachheit Komplexität werden konnte, wie sich ungeordnete Atome zu immer komplexeren Strukturen gruppieren konnten, bis aus ihnen schließlich Menschen entstanden. Darwin hat die bisher einzig gangbare Lösung für das unergründliche Problem unserer Existenz geliefert. Ich will versuchen, seine großartige Theorie auf eine allgemeinere Art und Weise als üblich zu erklären, und ich beginne mit der Zeit, bevor die Evolution selbst ihren Anfang nahm.
    Darwins „Überleben der Bestangepaßten“ ist in Wirklichkeit ein Sonderfall des allgemeineren Gesetzes vom Fortbestand des Stabilen.   Das Universum ist voll von stabilen Gebilden. Ein stabiles Gebilde ist eine Ansammlung von Atomen, die beständig oder verbreitet genug ist, um einen Namen zu verdienen. Es kann eine einzigartige Ansammlung von Atomen sein

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