Im Bann Der Herzen
Hewlett-Packard
1
Der Gentleman, der sich am oberen Ende der zur National Gallery führenden Stufen postiert hatte und eine Ausgabe des Blattes The Mayfair Lady auffällig in der Hand hielt, musterte aufmerksam die angeblichen Kunstliebhaber, die dem großen Portal des Museums hinter ihm zustrebten. Er hielt Ausschau nach jemandem mit dem gleichen Erkennungszeichen.
Auf dem Trafalgar Square flatterte jäh ein Taubenschwarm auf, als eine Gestalt über den Platz eilte und dabei für die Vögel Körner ausstreute. Sie überquerte die Straße direkt vor dem Museumskomplex, hielt an der untersten Stufe inne und zerknüllte die Papiertüte, die die Körner enthalten hatte, in der Hand, während sie zum Portal hinaufblickte. In der freien Hand hielt sie eine zusammengerollte Zeitung. Als der Mann eine zögernde Bewegung mit seiner Zeitung machte, warf die weibliche Gestalt die zerknüllte Tüte in einen Abfallkorb und lief die Stufen hinauf, ihm entgegen.
Die Gestalt war klein und weiblich ... Das war das Einzige, was der Gentleman unterscheiden konnte. Sie war in einen losen Alpaka-Staubmantel jener Art gehüllt, die Damen bei Ausfahrten mit dem Automobil wählten, und trug einen breitkrempigen Filzhut, dessen dichter Chiffonschleier ihr Gesicht völlig verhüllte.
»Bonjour, M'sieur«, begrüßte sie ihn. »Ich glaube, wir haben ein Treffen vereinbart, n'est-ce pas?« Sie schwenkte die Zeitung. »Sie sind doch Dr. Douglas Farrell?«
»Eben der, Madam«, erwiderte er mit einer kleinen Verbeugung. »Und Sie sind ...?«
»Ic h bin natürlich die Mayfair Lady«, gab sie zurück, wobei ihr Schleier bei jedem Atemzug erbebte.
Mit einem französischen Akzent, wie er falscher nicht sein kann, dachte Dr. Farrell amüsiert, entschied aber, sie deswegen noch nicht zur Rede zu stellen. »Die Mayfair-Lady persönlich?«, fragte er neugierig.
»Die Repräsentantin der Zeitung, M'sieur«, entgegnete sie mit rügendem Unterton.
»Ach so.« Er nickte. »Und die Vermittlerin?«
»Ein und dieselbe, Sir«, sagte die Dame mit entschiedenem Nicken. »Und wenn ich richtig verstanden habe, Sir, ist es die Vermittlerin, die Ihnen von Nutzen sein könnte.« Dieser verflixte französische Akzent reizt mich ständig zum Lachen, ging es der Ehrenwerten Chastity Duncan durch den Sinn. Ob sie oder eine ihrer Schwestern ihn gebrauchte, alle waren sie sich einig, dass sie wie französische Kammerzofen in einer Feydeau-Komödie klangen. Doch es war ein probates Mittel, um die Stimme zu verstellen.
»Ich hätte mir eigentlich ein Treffen in einem Büro erwartet«, sagte der Arzt mit einem Blick auf ihre Umgebung, die gar nicht öffentlicher hätte sein können. Ein kühler Dezemberwind fegte über den Platz und zauste das Gefieder der Tauben.
»Unsere Büroräume sind für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, M'sieur«, sagte sie rundheraus. »Ich schlage vor, wir gehen hinein. Im Museum gibt es viele Plätze, an denen wir sprechen können.« Sie ging auf das Portal zu, und ihr Begleiter beeilte sich, ihr einen Flügel zu öffnen. Die Falten ihres Alpaka-Staubmantels streiften ihn, als sie an ihm vorüber das höhlenartige Atrium des Museums betrat.
»Gehen wir in den Rubens-Saal, M'sieur«, schlug sie vor, mit der Zeitung zur Treppe deutend. »Dort gibt es eine kreisrunde Sitzgelegenheit, wo wir uns unauffällig unterhalten können.« In gebieterischer Haltung schritt sie voraus zur Treppe, die in den Hauptsaal führte. Dr. Farrell folgte ihr bereitwillig. Ihr Auftreten, das ihn ein wenig amüsierte, hatte seine Neugierde geweckt.
Auf halber Höhe bog sie auf einem Treppenabsatz ab und durcheilte eine Flucht von Räumen voller großformatiger Renaissancegemälde, auf denen grausame Märtyrerszenen, Pietas und Kreuzigungen dargestellt waren. Ohne auch nur einen flüchtigen Blick für diese Kunstschätze blieb sie erst stehen, als sie in einen runden Raum mit einem runden Sofa in der Mitte gelangten.
Diesen Raum schmückten höchst auffallend zwei der Rubens-Gemälde mit der Darstellung des Urteils des Paris. Mit heimlicher Belustigung hatten die Duncan-Schwestern just diesen Ort für Zusammenkünfte mit möglichen Klienten ihres Vermittlungs-Service gewählt. Die drei fülligen Akte von Venus, Juno und Minerva waren ihnen als Hintergrund für die dort getätigten Abmachungen höchst passend erschienen.
»'ier ist es ruhig, und wir sind ungestört«, erklärte sie und setzte sich aufs Sofa, ihre Röcke eng an sich raffend, damit er sich
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