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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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griffbereit, das Buch, das sie gerade las, links oben, und kleine Tüten mit Zuckerzeug, ein oder zwei Äpfel, ein paar illustrierte Zeitschriften, Riechbeutelchen und das Kampferfläschchen fanden sich im wahllosen Durcheinander irgendwo unter und zwischen den Decken. Wir Kinder waren von dieser Anordnung begeistert, denn fühlten wir uns einsam oder hatten wir Angst, krochen wir in Gammys Bett, und dort war es gemütlich und abwechslungsreich wie in einem Dorfkramladen.
    Gammy war eine unermüdliche Vorleserin und machte uns nicht nur mit der Bibel, sondern auch mit Dickens, Thackeray, Lewis Caroll, Kipling, dem Kleinen Colonel , den Fünf kleinen Pfeffermännern , dem Zauberer von Oz und dem gesamten Zane Grey bekannt, der unsere helle Begeisterung weckte. Unverständliche Ausdrücke ersetzte sie, ohne beim Vorlesen zu stocken, durch andere, die unserem Begriffsvermögen entsprachen, aber nach einer Stunde mit dem Zauberer von Oz oder dem Kleinen Colonel wurde sie schläfrig. Dann mußten wir in die Küche gehen und bei Mary eine Tasse schwarzen Kaffee holen, der Gammy wieder munter machte, so daß sie bis zum Mittag- oder Abendessen fortfuhr. Aber manchmal, hauptsächlich bei den frechen Streichen des kleinen Colonel oder dem unablässigen Geheul der Pfeffermänner, die weinten, sobald sie sich über etwas freuten, trank sie eine Tasse Kaffee nach der anderen, und es nützte nichts, sie döste immer wieder ein und las, wenn sie sich nach einem kleinen Nickerchen aufraffte, den gleichen Abschnitt mehrmals. Gelang keiner unserer zahlreichen Versuche, sie völlig wach zu bringen, gaben wir es schließlich auf und vergnügten uns im Garten.
    Gammy war geduldig und ungeduldig, weise und töricht, freundlich und barsch, fröhlich und traurig, abergläubisch und gläubig, voller Vorurteile und unendlich lieb und gut. Alles in allem war sie eine Großmutter, eine Frau also, deren Inkonsequenz sich im Laufe der Zeit verschärft hatte. Mir fehlt jedes Verständnis für Frauen, die sich bitterlich darüber beklagen, daß sie mit ihrer Mutter oder ihrer Schwiegermutter unter einem Dache leben müssen. Meiner, allerdings voreingenommenen, Meinung nach ist eine Kindheit ohne Großmutter oder Großvater im Hause keine richtige Kindheit.

Battre l`eau avec un bâton
    Als ich neun Jahre alt war, übersiedelten wir nach Seattle im Staate Washington. Damit waren die Pionierjahre vorbei, und die ernsthafte Vorbereitung fürs künftige Leben begann. Ich vermute jedenfalls, daß dies die Absicht unserer Eltern war, als sie Mary und mir Unterricht in Gesang, Klavierspiel, Tanz vom Volkstanz bis zum Ballett, Französisch und Literatur erteilen ließen. Hätten sie geahnt, was die Zukunft barg, wenigstens in bezug auf mich, hätten sie einen Haufen Geld, ganz zu schweigen von der Mühe, sparen können, denn für mein späteres Leben auf der Hühnerfarm wäre es eine praktischere Vorübung gewesen, einige Stunden täglich in einem Eiskasten zu sitzen und über das Seelenleben der Küken nachzudenken, als krampfhaft Spitze zu tanzen und französisch zu parlieren. Französisch lesen lernten wir schnell, aber mit dem Sprechen haperte es, da ich »Konversation« fast nur mit mir selbst führte und normalerweise einzig und allein Franzosen französisch mit sich selbst reden.
    Zugleich mit diesen Kultivierungsversuchen stellte mein Vater ein ausgedehntes Gesundheitsprogramm für uns auf. Wir aßen kein Salz, tranken nie Wasser zu den Mahlzeiten, kauten bei Tisch jeden Bissen an die hundertmal, standen um fünf Uhr früh auf und nahmen eiskalte Bäder, turnten im Takt nach der Musik und spielten Tennis. Außerdem – und das geschah wahrscheinlich, um unseren Geist gesund zu erhalten – verbot man uns, ins Kino zu gehen oder Witzblätter zu lesen. Unser damaliges Haus war vorher von einem dänischen Konsul bewohnt worden, und im Erdgeschoß befand sich noch ein Empfangssaal, den Vater prompt in eine Turnhalle mit Barren, Korbballgeräten und Matratzen umwandeln ließ. Allabendlich wurden wir in diese Folterkammer kommandiert und mußten uns »austurnen«. Wir sprangen freihändig über Barren, machten todesmutig Knieschwünge, spielten Korbball, machten Kerze und haßten Vater. Wir legten gar keinen Wert darauf, gesund zu sein. Wir wollten ins Kino, Witzblätter lesen und faulenzen wie die anderen, ungesunden Kinder, die wir kannten. Zum Glück mußte Vater von Zeit zu Zeit auf längere Inspektionsreisen, und sobald sich die Haustür hinter

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