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Das einsame Herz

Das einsame Herz

Titel: Das einsame Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gesagt – noch 18 Tage Marter und Qual, Folter der Seele und Pein des Gewissens …
    »Nein«, sagte Otto Heinrich laut. »Das ertrage ich nicht! Das kann kein Mensch ertragen …« Er ging in seiner Kammer hin und her und krampfte die Finger ineinander. »Ich fahre mit der Post am zwanzigsten. Ich flüchte nach Dresden und von dort zu Bendler! Mein Leben ist gestorben … ich kann den Eltern nicht mehr in die Augen sehen …«
    Er hieb mit der Faust an die schräge Wand, immer und immer wieder, bis seine Hand rot wurde und anschwoll.
    Später dann lag er wieder gedankenlos und leergebrannt auf seinem Bett, starrte an die Decke und spielte sinnlos mit einigen ausgerupften Fäden.
    Grauenhaft schnell zerfiel sein Körper.
    Entsetzlich stürzend verwirrte sich sein Geist.
    Er sprach vor sich hin und ekelte sich vor seiner eigenen Stimme.
    Er sah sich im Spiegel und schrie vor Grauen.
    Er ersehnte nur eins, er hatte nur eine große, herrliche Liebe: den Tod!
    Und so schlich er die Treppe hinunter an Knackfuß' Tür vorbei, wie ein Verbrecher, und schloß sich in der Nacht im Laboratorium ein.
    Hielt Zwiesprache mit den Kolben, Retorten und Reagenzgläsern.
    Sprach auch mit den Mörsern, Tiegeln und Pfannen.
    Berauschte sich noch einmal an brodelnden Mischungen und dampfenden Analysen.
    Spielte mit Säuren und Basen wie ein Kind mit dem Kreisel.
    Als die nahe Kirchenglocke die Mitternacht schlug, saß er vor dem geöffneten Giftschrank und las mit leuchtenden, irren Augen die Namen unter den warnenden Totenschädeln.
    Papaver somniferum, Mohn, Opium …
    Atropa belladonna, Tollkirschensaft …
    Oxalsäure, Kleesalz, Strychnin, Cyan, Kreosot, Urari, Curare …
    Gift … Hunderte Gifte.
    Ein Gramm nur, Otto Heinrich Kummer, ein Gramm nur … ist schnell geschluckt …
    Cyan … Urari … Curare …
    So saß er, bis die erste Morgenstunde vom Turme schlug. Er bediente die seltenen nächtlichen Kunden. Gab Hustentropfen aus, ein Schlafpulver, eine Brandsalbe, ein Blutstillmittel, ein Magenpflaster …
    Gewissenhaft, freundlich, gewandt.
    Und träumte von Gift.
    Am Morgen schlich er wieder in seine Kammer, warf sich auf sein Bett und schlief.
    Er aß in der Kammer, ein Geselle brachte ihm die Speisen.
    Er saß am Fenster, starrte sinnend vor sich hin.
    Leer, gebrochen, einsam.
    Wenn es dämmerte, schlich er sich hinab ins Labor.
    Er sprach mit keinem, er sah niemanden, nur den Gesellen mit dem Essen.
    Er fühlte sich in einem weiten Grab.
    Und des Nachts saß er vor den Giften und träumte seinen Tod.
    Er schauderte bei dem Gedanken und empfand doch eine fremde Wollust.
    Und mit gräßlicher Gewißheit spürte er von Nacht zu Nacht: Sein Herz schwieg …
    Vorsichtig, damit sie nicht qualmen und rußen, löschte Otto Heinrich die Tranlampen und Unschlittkerzen im Laboratorium und im Laden. Nur eine kleine Lampe ließ er an seinem Tisch neben dem Giftschrank brennen.
    Es war die Nacht zum Freitag, den 13. Februar 1835.
    Ein trüber Tag war in einen feuchtkalten Abend übergegangen, der die Schneedecke in einen breiigen Morast verwandelte, grau, unansehnlich, häßlich, unter den Schuhen quietschend. Nun, in der Nacht, brach der Mond durch.
    Eine widerliche, kalte Feuchtigkeit lag in der Luft. Sie drang durch die Kleider, durch die Ritzen der Fenster und Türen und schien sich wie eine unsichtbare Wand selbst um den Ofen zu legen.
    Fröstelnd ging Otto Heinrich noch einmal durch alle unteren Räume, dann setzte er sich im Laboratorium unter die Lampe und las in einem dicken, in Leder gebundenen Buch über das Wesen der Toxikologie.
    Eintönig tickte aus einer Ecke eine Uhr.
    Vor dem schmalen Fenster, das auf die Straße führte, geisterte gleich das Mondlicht und floß über die Fensterbank ins Zimmer.
    Noch sieben Tage, dachte Otto Heinrich, und die Post fährt mich nach Dresden und Böhmen. Noch sieben Tage, und du hast aufgehört, ein Mensch zu sein, der unbescholten ein Tropfen des großen Menschenmeeres ist.
    Er klappte das Buch zu und stützte den Kopf in die Hände.
    Was würde der Vater sagen, wenn er es erfährt?
    Die Mutter würde weinen … die gute, gute Mutter …
    Kummer starrte vor sich auf den Dielenboden und schloß die Augen. Er sah Dresden vor sich, das große Haus in der Rampschen Gasse, die Freunde Maltitz und Seditz, den Maler Caspar David Friedrich und den Baron von Puttkammer.
    O Mutter, liebe, liebste Mutter … warum ist das Leben nur schön, wenn man ein Kind ist …?
    Langsam sank Otto Heinrichs Kopf

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