Das einzig glueckliche Ende einer Liebesgeschichte ist ein Unfall
ich fast nicht mehr hier bin, was in mir plötzlich Sehnsucht aufkommen lässt, als versuchte ich, mich an einen Traum zu erinnern, in einem langen Déjà-vu, während das unförmige Chaos aus Stahl und zermalmtem Fleisch still auf uns zugaloppiert. Dunkelheit greift um sich, als nähme sie sich nun zurück, was ihr schon immer gehörte. Das ist alles ganz normal, Iulana. Wir sehen diese Welle mit ruhiger Gelassenheit, trotz der Gewissheit des nahenden Endes – oder deswegen.
Als du endlich deinen Kopf zu mir drehst, treffen sich unsere Blicke in einem leeren Punkt. Und bevor ich Zeit finde, deine Schulter zu berühren, um den Anblick der Tänzerinnen mit dir zu teilen, die in weißen Kleidchen im fünften Stock des geschwungenen Gebäudes rechts tanzen, unter der großen Reklametafel, die mit Neonröhren in leuchtenden Umrissen hinter dem Regen für Suppe wirbt, bevor die Stille sich deiner Augen bemächtigt, wirst du noch Zeit haben, meinen Namen zu sagen, zum letzten Mal wirst du meinen Namen sagen, Iulana Romiszowska, zum letzten Mal meinen Namen mit deiner nächtlichen Stimme.
4
Durch das Fenster des Cafés sehen wir Misako kommen in einem weißen Mantel, der ihre Beine bis zu den Knöcheln bedeckt. Die Knöpfe des Mantels sind golden, wie die Applikationen an ihren hochhackigen Stiefeln, die Fingernägel und der Grundton des Make-ups. Ihr langer Pferdeschwanz pendelt im Rhythmus ihrer Schritte hin und her. Die Tür geht auf. Mit Tüten beladen, landet sie geräuschvoll auf einem Stuhl.
In letzter Zeit gleicht Misako eher einer Kogal-Nutte als einer Frau.
Sie steckt die Hände zwischen die schlanken Schenkel und schweigt, beantwortet teilnahmslos meine Fragen. Aus den Lautsprechern der billigen Imitation eines Pariser Cafés, in der wir uns befinden, mit ihren auf alt getrimmten Wänden, kommt Musik, ein Edith-Piaf-Sampler, wieder und wieder – ich weiß das, denn ich habe über eine Stunde auf Mademoiselle gewartet.
Die Fenster können all den Lärm der Sirenen, der Autos und die Lichtreklamen von Shinjuku nicht abhalten. Tokios Inferno dringt überall hin.
Misako steckt sich eine Zigarette mit einem langen Filter an, inhaliert tief und bläst ihren Rauchstrahl diagonal über mein Gesicht.
„Wir werden uns nie wiedersehen.“
Dann drückt sie die gerade angezündete Zigarette aus und lässt die Hände wieder zwischen ihren Schenkeln verschwinden.
Noch vor wenigen Minuten hatte ich mir überlegt, dass ich diese Frau nicht mehr wollte, und darüber nachgedacht, wie ich es ihr beibringen sollte, ohne dass es zu einer Szene kommt. Doch als Misako nun sagte: „Wir werden uns nie wiedersehen“, war mir, als öffnete sich dort am Cafétisch ein Abgrund. Alles, was mich an ihr störte, ihre ständigen Verspätungen, ihre Launen, das Gold, die falschen Fingernägel, ihre Manie, sich in aller Öffentlichkeit zu schminken, und überhaupt ihre anrüchige, lethargische, schräge Art erregte mich plötzlich wieder.
„Wer ist es?“, frage ich, aus welcher idiotischen Eingebung auch immer, und sie lenkt ab, zündet sich eine neue Zigarette an. Ich stehe auf, gehe zur Kasse und zahle. Dann öffne ich die Glastür und gehe hinaus.
Hier begegnen wir dieser Frau zum letzten Mal.
Man könnte meinen, dass dieses Ende mich nachdenklich macht, doch auf dem Weg zurück zur Metro, durch die stehende Luft des heißen Nachmittags, spüre ich nichts. Ein leichtes Prickeln möglicherweise für Misako, die jetzt wieder frei ist wie damals, als ich sie kennenlernte. Dann überlege ich, die in ihrer Wohnung versteckten Kameras um ein paar neue Geräte im Bad und neben ihrem Bett zu erweitern – was nicht schwierig sein wird, denn ich habe ja noch ihre Schlüssel und kenne ihren Tagesablauf. Ich könnte meinem Vater ein Telegramm schicken. Sicher wird Herr Languste Okuda mir dabei behilflich sein, alle Mittel für den Ausbau der Tätigkeit seines U-Boots zu beschaffen. Wir könnten sie dann vom Periskopraum aus beobachten, in Aktion, mit ihren neuen Liebhabern.
Der Gedanke erregt mich sehr, und bevor ich den Zug nach Hause zurück nehme, gehe ich in ein Soapland und kaufe mir eineinhalb Stunden mit einer Chinesin mit großen Füßen. Während des Bades, ich weiß gar nicht warum, wird die Frau plötzlich zornig und beginnt zu grunzen wie eine kantonesische Ente. Um die Arme zum Schweigen zu bringen, gebe ich ihr doppelt so viel wie vereinbart. Und außerdem die Adresse und den Schlüssel zu Misakos Wohnung.
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Die
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