Das einzig wahre Handbuch für Agenten. Tricks und Täuschungsmanöver aus den Geheimarchiven der CIA
Einsatzes diktiert. Daher kann man das Licht, das Publikum und sein Blickfeld nur begrenzt kontrollieren. Der »Zaubertrick« mag noch so gut durchdacht und geprobt sein, ein gewisser Unsicherheitsfaktor bleibt bei dieser Art von »Auftritt« immer. Wenn ein unentdeckter, unerwarteter Beobachter die heimliche Aktion durchschaut, kann das für den Agenten schrecldiche Folgen haben. Hier sind also spezielle Sicherheitsvorkehrungen vonnöten.
Robert Hanssen, ein vom FBI ausgebildeter Gegenspion, der sich freiwillig zu Spionageeinsätzen für den sowjetischen Geheimdienst meldete, suchte sich als Bühne die Fußgängerüberführungen in den Parks von Nord-Virginia aus. Nachts versteckte er dort verpackte, mit Klebeband verschlossene Plastikmülltüten voll geheimer U.S.-Dokumente oder holte Tüten mit Bargeld oder Diamanten ab. Hanssen kontrollierte seine Bühne, indem er »auftrat«, wenn die Parks so gut wie leer waren, und das auch nur an Stellen, die dichten Baumbestand aufwiesen oder relativ abgelegen waren. Sorgfältig suchte er sich für jeden Einsatz einen neuen Ort aus, um für Passanten möglichst unsichtbar zu bleiben, wohingegen er eventuelle Beobachter leicht entdecken konnte, bevor er die Tüten unter der Uberführung abstellte oder mitnahm. 70 So verschaffte sich Hanssen einen Vorteil, den nicht einmal der Zauberkünstler auf seiner kontrollierten Bühne hat - indem er ein Publikum so gut wie ausschloss, war sein Erfolg fast schon garantiert. 71
Für die CIA gab es nur wenige Operationen, die gefährlicher oder wichtiger gewesen wären als das Ausschleusen gefährdeter Agenten und Überläufer aus feindlichen Ländern und bedrohlichen Situationen. In den Jahren des Kalten Krieges bedienten sich die CIA und der britische Geheimdienst MI6 oft solcher Techniken, die der Bühnenmanipulation eines Zauberkünstlers ähnelten. Auf diese Art wurden in über 150 geheimen Einsätzen gefährdete Personen und ihre Familien »aus der Kälte« geholt. 72
Einer der wichtigsten Spione des britischen Geheimdienstes wurde 1985 auf diese Art vor dem sicheren Tod gerettet. Der in London tätige KGB-Offizier Oleg Gordievsky, der heimlich für die britische Seite arbeitete, wurde vom CIA-Mitarbeiter Aldrich Ames verraten und nach Moskau abberufen. Die Ermittler des KGB hatten Indizien von Ames, die Gordievsky schwer belasteten, doch letztlich fehlten ihnen die Beweise, die sie brauchten, um einen so hochrangigen KGB-Offizier zu verhaften. So wurde er täglich ausgedehnten Verhören unterzogen, durch die die Ermittler ihre Anklage untermauern wollten, aber allabendlich durfte er in seine Wohnung zurückkehren, die allerdings insgeheim abgehört wurde. Sie hofften, auf diesem Wege einen schlüssigen Beweis für seinen Verrat zu bekommen, z. B. wenn er seiner Frau seine Machenschaften gestanden oder mit den Briten Kontakt aufzunehmen versucht hätte. 73 Doch Gordievsky bekam einen geheimen Fluchtplan vom MI6 und nachdem er seine Verfolger bei seiner täglichen Joggingrunde abgehängt hatte, entkam er mit Bahn und Bus über die finnische Grenze.
Während Gordievsky seine heimliche Reise antrat, wurde eine schwangere britische Diplomatin zum Zwecke medizinischer Versorgung von Moskau nach Helsinki gebracht. Als sich das Auto der finnischen Grenze näherte, traf man sich mit Gordievsky und versteckte ihn im Kofferraum ihres Diplomatenwagens. Zwar begann der Schäferhund der Grenzer misstrauisch zu schnüffeln, als die Grenzpolizei ihre Papiere prüfte, doch die Diplomatin zog geistesgegenwärtig ein Wurstbrot aus der Tasche und lenkte den neugierigen Hund damit ab. Die Stegreifaktion, mit der sie ihre Bühne manipulierte, rettete dem Agenten das Leben. Damit war Gordievsky der erste Mensch, dem es gelungen war, aus Moskau zu fliehen, obwohl er unter direkter Observation durch das KGB stand. 74
Ein klassisches Beispiel dafür, wie die CIA exakte Bühnenmanipulation einsetzen musste, um Personen aus einem feindlichen Land zu schleusen, war die Rettung von sechs amerikanischen Diplomaten, die im Iran vor ihrer Botschaft strandeten, nachdem das Gebäude im November 1979 von iranischen »Studenten« besetzt worden war. Mendez, der damalige Leiter der Abteilung für Tarnung im CIA Office of Technical Service, stimmte seine Taktik perfekt auf diese besondere Situation ab. Mit Unterstützung des Oscar-Gewinners und Hollywood-Make-up-Spezialisten John Chambers ersann er das Täuschungsmanöver für diese Rettungsaktion. Mendez und seine
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