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Das Elbmonster (German Edition)

Das Elbmonster (German Edition)

Titel: Das Elbmonster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerner, Károly
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zu gefährden oder sie gar aus der gewohnten Lebensbahn zu werfen.
    Ich gestehe, dass mich angesichts ihrer fabelhaften Gepflogenheiten vereinzelt sogar ein leichter Neid beschlich, denn ich muss zugeben, dass sie die Lenkung des eigenen Schicksals oftmals viel cleverer meisterten, als ich es vermochte. Sie verfügten über die eher seltene Veranlagung, vielerlei positive Seiten des Lebens gezielt herauszufinden und klug zu nutzen. So hatten sie beizeiten auch folgenden Leitspruch verinnerlicht: „Erfreue dich möglichst täglich an dem, was du hast und kannst, statt unentwegt nach irgendwelchen Luftschlössern zu trachten!“
    Insbesondere ihre praktizierte Toleranz gegenüber anderen Denk- und Verhaltensweisen beeindruckte mich nachhaltig. Ihr Umgangsmotto lautete: „Es sei alles erlaubt, was keinem schadet.“ Wer schafft das schon?
    In ihrer Nähe musste man sich einfach wohlfühlen, denn bessere Freunde kann man sich gar nicht wünschen. Kurzum, sie wirkten in fast jeder Hinsicht als Vorbild für das Tun und Lassen ihrer Mitmenschen.
    Namentlich ihr Ehebund übertraf fast alles an liebevoller Zuneigung. Das habe ich immer bewundert. Sie veranschaulichten quasi die ideale Partnerschaft, indem sie gegenseitig zuließen, dass jedem genügend Freiräume blieben, um sich zu entwickeln und auch eigene Interessen wahrzunehmen. Ebenso respektierten sie die individuellen Grenzen des anderen. Ihr Verhältnis zueinander war großmütig und von unerschütterlichem Vertrauen geprägt. Ich hätte jederzeit bereitwillig schwören können, dass sie sich gegenseitig auch immer treu waren.
     
    So entrannen mehrere Jahrzehnte voller Glückseligkeit, bis das Unheil jählings wie aus heiterem Himmel mit brutalster Gewalt und obendrein gleich im Doppelpack über sie hereinbrach.
    Genau zwölf Monate nach Eintritt ins Rentenalter befiel meinen selbstlosen Gefährten das allseits gefürchtete, weil unberechenbare, hinterlistige und immerwährend böse Haustier namens Krebs. Es nistete sich unversehens fest in seinen Körper ein und trieb fortab sein mörderisches Spiel. Bevor man erkannte, um welch ein zerstörerisches Biest es sich handelte, hatte es bereits in Windeseile zuhauf Metastasen hervorgebracht. Obgleich die Hoffnung meist zuletzt stirbt, blieb Peter keinerlei Chance mehr, dem grausamen Würgeengel zu entrinnen.
    Wenigstens gewährten ihm die Mächte der Finsternis ein bisschen Zeit, die er eifrig nutzte, um wichtige Angelegenheiten zu erledigen. Auf den nahenden Tod war er ja überhaupt nicht vorbereitet. Eher glaubte er, der allmächtige Sensenmann befände sich noch in weiter Ferne, was sich freilich als schwerwiegender Irrtum herausstellte.
     
    Indessen boten sich mir wiederholt Gelegenheiten, mit ihm aufschlussreiche Gespräche zu führen, so auch kurz bevor er unwiderruflich von uns ging. Die abermalige Begegnung war sein eindringlicher Wunsch, obwohl er bereits auf dem Sterbebett lag und sich zusehends anschickte, dem Irdischen endgültig Adieu zu sagen.
    Unser Gedankenaustausch wandelte sich allerdings beizeiten zum Monolog, indem ich aufmerksam zuhörte, was der auserlesen gütige, jedoch todkranke Kamerad während seiner letzten Stunden noch unbedingt kundtun wollte.
    Er sprach zwar leise, trotzdem klar und verständlich, auch nicht im Geringsten wehklagend. Dabei betonte Peter, dass er gerne noch einige Jahre mitgemacht hätte, schon allein deshalb, um die redlich verdiente Seniorenzeit mit seiner lieben Veronika weiterhin zu genießen. Aber es sollte eben nicht sein. Dennoch wäre er nicht unzufrieden mit seiner Lebensgestaltung, weil ihm und seinen Angehörigen der Grundsatz „Nutze den Tag, er kehrt nicht wieder!“ stets ein wichtiger Begleiter war. Mit besonderer Genugtuung erfülle ihn die feste Zuversicht, dass seine Frau auch als Witwe in fast allen Belangen bestens zurechtkäme, da sie gottlob im hohen Maße eigenständig sei. Dessen ungeachtet hätte er nichts dagegen, fügte er zaghaft hinzu, wenn sie sich später einen anderen Mann suchte, mit dem sie glücklich wäre. Ergo könne er auch hierauf einigermaßen beruhigt bei Petrus anklopfen. Es bliebe ihm ja sowieso nichts weiter übrig, als die Segel für immer zu streichen. Demgemäß gehe er in Frieden mit sich und der Welt, lauteten seine warmherzigen Worte.
    Obwohl ich von ihm nichts anderes erwartet hatte, war ich doch aufs Angenehmste berührt. Danach beobachtete ich jedoch gespannt, wie sich auf seiner Stirn auffallend Sorgenfalten

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