Das elfte Gebot
zu folgen, dachte er. Benommen wandte er sich seiner eigenen Behausung zu, und er fragte sich, ob sie ihn wohl gehen lassen würden. Sie murmelten zwar, doch sie ließen ihn gehen. Darüber verspürte er große Erleichterung, doch seine Beine zitterten noch immer unsicher unter ihm und die Kratzer in seinem Gesicht brannten höllisch.
Es spielte jedoch keine Rolle. Er verspürte einen weitaus größeren Schmerz in seiner Brust, und der Verlust all seiner Pläne hinterließ eine tiefe Leere in ihm.
Er hatte den Augenblick ausgenützt, das war richtig, doch er war sich über seine Pläne im klaren gewesen, als er sie zu sich gebeten hatte. Er hatte einen privaten Ort aufsuchen wollen, um sie zu bitten, seine Frau zu werden.
10
Zwei Stunden später hatte das Schmerzen der sterilisierten Kratzwunden nachgelassen, und er hatte es endgültig aufgegeben, nach einer Möglichkeit der Reparatur des entstandenen Schadens zu suchen.
Nun, da er sich wieder beruhigt hatte, erkannte er erst, daß er sich in mancher Hinsicht wie ein Narr benommen hatte. Sie hatte viele Bemühungen unternommen, um ihm ein ganzes Dutzend Chancen zu geben, sein Anliegen vorzutragen. Sie hatte alles getan, was ihr Kodex erlaubte, wahrscheinlich sogar noch mehr. Dieses Kleid hatte sie sorgfältig für ihn ausgesucht, sie war nicht so plump, um ihm zufällig einen Schenkel zu entblößen. Nach ihren Standards hatte sie sehr wahrscheinlich schon in entwürdigender Weise lasziv gehandelt. Und er hatte sie kalt und brutal brüskiert und verletzt.
Und nach dieser Affäre beim Evangelistentreffen hätte jeder sensible Mann das Geschehene entweder vergessen oder eine kleine Romanze begonnen. In der Theorie, das wußte er, benötigten die Leute hier weitgespannte romantische Szenen, um all ihre Wunschträume zu befriedigen, was fast in direkter Proportion zur Tristheit und Eintönigkeit ihres Alltags stand. Und es lag ganz gewiß nichts Romantisches in der Drohung, ihr den Hintern zu versohlen, oder in der Einladung zum Essen oder in überhaupt allem, was ein Mann hätte versuchen können.
Doch all das hätte man wahrscheinlich wieder einrenken können. Doch dann hatte er ihr die geistige Einstellung eines erwachsenen Marsianers unterstellt und ihr etwas gezeigt, das hierzulande noch nicht einmal die Prostituierten akzeptieren würden.
Er zupfte das Pflaster von seiner Schulter und warf es in den Papierkorb. Er hätte es so oder so wechseln müssen, aber nun war er endgültig fertig damit. Auf der Erde mußte man entweder mit den Wölfen heulen, oder man heulte überhaupt nicht!
Er war dumm genug gewesen, alle Hoffnungen auf eine Rückkehr aufzugeben. Er wäre vielleicht sogar bereit gewesen, der Unzahl umherstreunender, hungriger Bälger noch weitere hinzuzufügen. Das war sein wirklicher Fehler gewesen.
Es klopfte an der Tür, und er rief seine Erlaubnis zum Eintreten hinüber. Früher oder später würde Pete sowieso sehen, was vorgefallen war – weshalb es also nicht gleich hinter sich bringen?
Aber es war nicht Pete. Mort betrat den Raum und verschloß sofort die Tür wieder sorgfältig. Seine Schweinsäuglein sahen sich neugierig in den beiden Räumen um.
„’n Abend, Doktor. Hübsches Plätzchen hier. Wirklich hübsch. Früher einmal, bevor mich Sue geschnappt hat, habe ich mir vorgestellt, auch mal so zu wohnen. Aber Sue ist nicht der Typ, um mit einem Mann gemeinsam etwas aufzubauen. Wirklich, echt hübsch. Man sollte nicht meinen, daß ein gebildeter Mann, noch dazu ein rechtschaffener, die Schwester eines armen Mannes so behandeln könnte, wie Sie das getan haben. Wenn Sie …“
„Haben Sie sie gesehen?“ fragte Boyd.
„Na klar. Wohin hätte sie denn sonst gehen sollen, wenn nicht zu ihrem Bruder, wenn ein Mann ihr eine solche Gemeinheit antut? Wenn Sie mich gefragt hätten, ich hätte Ihnen ein paar Weibsbilder herschaffen können, und zwar schnell genug, die auch ein paar unnatürliche Dinge mit Ihnen durchgezogen hätten, mit Drogen oder so etwas. Aber nein, Sie mußten meine Schwester mißbrauchen.“
„Sie kann Sie niemals hergeschickt haben“, sagte Boyd geradeheraus.
Mort dachte darüber nach, die Augen gedankenverloren auf die Truhe unter der Koje gerichtet. „Nein, nein. Kann nicht behaupten, daß sie das getan hätte. Liegt überhaupt nicht in Ellens Art. Aber es gibt einige Dinge, die ein Bruder nicht ungestraft durchgehen lassen kann.“
Boyd zog eine Grimasse und erhob sich.
„Also gut,
Weitere Kostenlose Bücher