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Das Elixier der Unsterblichkeit

Das Elixier der Unsterblichkeit

Titel: Das Elixier der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Gleichmann
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links, in die Gaskammern, geschickt, Jüngere nach rechts. Doch Ilona wollte sich nicht von ihrer Großmutter trennen. Sie hielt sie am Arm fest. Da schlug ein Wachmann sie mit einem Gummiknüppel auf Kopf und Schultern. Eine mannhafte Jüdin – Ilona und sie hatten während der Fahrt in dem überfüllten Viehwaggon ein paar Worte miteinander gewechselt – versuchte den Wachmann zu stoppen und wurde handgreiflich. Es kam zu einem Tumult. Weitere Wachmänner kamen hinzu und misshandelten die Frauen mit kräftigen Schlägen. Um die Selektion nicht zu behindern, wurde Mirjam abgeführt, und die jüngeren Frauen wurden halb bewusstlos zur Seite geworfen.
    Sie hieß Eszter Heymann. Das Dasein in den Baracken machte Eszter und Ilona unzertrennlich. Sie teilten alles, unterstützten und halfen einander wie Schwestern, um am Leben zu bleiben. Nach ihrer Heimkehr klagte Ilona ihren Vater an, als wäre es seine Schuld, dass sie in den Todeslagern gelandet war. Sie brach mit der Familie und zog mit Eszter zusammen. Sie machten einen Weißwarenladen auf, der ihnen ein geringes, aber regelmäßiges Einkommen einbrachte. Es war undenkbar für sie, sich auch nur für eine Stunde zu trennen. Die Sehnsucht nach einem Mann oder Kindern plagte sie nie. Sie lebten fast zwanzig Jahre zusammen. Am Tag nachdem Ilona bei einer missglückten Routineoperation starb, schluckte Eszter eine Packung Schlaftabletten.
GROßVATERS NEIN
    Nach der Befreiung war es einige Zeit gefährlich, sich auf den Straßen Budapests zu bewegen. Betrunkene, taumelnde Rotarmisten versetzten die Stadt in Angst. Am helllichten Tag konnten sie Menschen zwingen, sich auf offener Straße auszuziehen, und dann stahlen die Soldaten die Kleider und Wertgegenstände. So unangenehm dies auch sein mochte, so kamen die Opfer solcher uniformierten Räuber immer noch glimpflicher davon als viele andere, die auf die Ladeflächen von Lastwagen gestoßen und in Viehwaggons in die Sowjetunion geschickt wurden, für »malenkij robot«, was kleiner Dienst heißt, in Wahrheit aber langjährige Zwangsarbeit in Fabriken und Lagern bedeutete. Unter dem Vorwand, nach faschistischen Widerständlern zu suchen, drangen die Soldaten in zahllose private Haushalte ein und nahmen ohne Skrupel alles mit, was nicht niet- und nagelfest war. Starke Getränke standen hoch im Kurs. An einem Tag konnten die Russen zu Tränen gerührt sein, wenn sie das Elend der Menschen sahen, und gaben der hungernden Zivilbevölkerung ihre Rationen, um am nächsten Tag die Menschen in denselben Häusern auszuplündern und selbst noch die alten Frauen zu vergewaltigen. Großmutter pflegte zu sagen, so gesehen sei es gut gewesen, dass ihre Mutter sofort in die Gaskammer gebracht wurde, denn das habe ihr erspart, die russische Befreiung zu erleben.
    Zwei Tage bevor Ungarns kommunistische Regierung gebildet wurde, im Dezember 1948, wurde Großvater der Posten des Innenministers angeboten. Dass die Wahl des moskautreuen Parteiführers Mátyás Rákosi auf Nathan Spinoza fiel, überraschte niemanden. Großvater hatte einen felsenfesten Ruf als ehrlicher und treuer Kommunist. Umso größer war das Erstaunen, als er, mit geradem Rücken, das Gesicht in fromme Falten gelegt, den Auftrag ablehnte. Als Grund gab er gesundheitliche Probleme an. Rákosi glaubte keinen Moment an diese Erklärung. Er war außer sich vor Wut. Er ertrug es nicht, das Wort »Nein« zu hören. Er fluchte und schimpfte. Nannte Großvater, natürlich hinter dessen Rücken, arrogant und eingebildet. Für Rákosi war dies ein unverzeihlicher Verrat. Eine Todsünde. Keiner in seiner Welt hatte das Recht, sich zu verweigern, wenn die Partei – will sagen: er selbst – rief.
    Großvaters Verrat war natürlich vollkommen harmlos, verglichen mit den Grausamkeiten, die Rákosi im Namen der kommunistischen Partei begangen hatte. Er war ein wildes Tier und ein Dämon zugleich. Die Genossen an der Spitze der Partei wussten das. Aber sie hatten nicht den Mut zur Ehrlichkeit. Die Angst hatte sie gelähmt. Und sie begriffen, dass Nathan Spinoza so gut wie tot war.
    Was ließ Großvater ablehnen, obwohl er sich des persönlichen Risikos, das er einging, bewusst war? Die Heuchelei. Die Intrigen. Die Bestechungen. Die Verleumdung anständiger Männer. Die Säuberungen. Das Wissen darum, dass die kommunistische Partei bei ihrer Machtergreifung die russische Besatzungsmacht hinter sich hatte, aber nicht die Unterstützung des Volkes. Die Einsicht, dass Mátyás Rákosi,

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