Das Ende - Alten, S: Ende
Energie vernichtete. «
»Gott hat das Böse ausgelöscht, schon klar.«
»Nein, Patrick. Der Schöpfer löscht nichts und niemanden aus. Das Licht des Schöpfers trägt ausschließlich Gutes in sich. Erst der Empfänger dieses Lichts bestimmt, was daraus wird. Stell dir Gottes Licht wie Elektrizität vor. Wenn du die richtigen Geräte mit Strom versorgst, dann setzt du sozusagen Werkzeuge in Betrieb, die dich zur Erfüllung führen. Wenn du einen nassen Finger in die Steckdose schiebst, bringt dich der Strom um. In beiden Fällen ist es dieselbe Elektrizität
– genau wie es sich immer um dasselbe Licht handelt. Als Noah sich in die Arche begab, zerstörte das Licht der höheren Reiche die Negativität und die Gier, die die Erde befleckt hatten. Jene, die für ihre Mitmenschen Sorge trugen, die ihren Besitz mit anderen teilten und versuchten, sich selbst in etwas Besseres zu verwandeln, wurden verschont. Wer das nicht tat, wurde vernichtet.«
»Was wurde aus Noah?«
»Er starb. Unrein.«
»Moment mal, du hast doch gesagt …«
»Die Arche wurde gebaut, damit Noah und seiner Familie ein Schiff zur Verfügung stand, das ihnen Schutz bot, als der Todesengel kam, um die Menschheit zu zerschmettern. Die Flut währte zwölf Monate, und so hatten Noah und seine Familie Zeit genug, um den Weg der Reinigung zu gehen, während die Seelen der Bösen in die gehenna geschleudert wurden. Doch Noah beging einen letzten Fehler. Es war derselbe Fehler, den auch Adam begangen hatte. Die Frucht, die Adam in Versuchung führte, war kein Apfel, sondern eine Traube, oder vielmehr der Wein, der aus den Trauben stammt. Wein kann missbraucht werden und den Menschen mit Bewusstseinsebenen in Berührung bringen, auf denen sich eine Verbindung mit dem Licht nicht aufrechterhalten lässt. Als die Wasser der Flut sich zurückzogen, gab Noah der Versuchung nach und genoss den Saft der Weinrebe, denn er wollte Zugang zu den höheren Dimensionen finden. Noah wurde beschnitten geboren. Als sein Sohn Ham, der zukünftige Vater des Landes Kanaan, sah, wie Noah nackt und betrunken dalag, kastrierte er ihn. Deshalb hat Noah das Land Kanaan verflucht. «
»Das war schon ein bisschen heftig, findest du nicht auch?«
»Auch diese Geschichte verlangt nach einer Deutung. Aus Noah, einem rechtschaffenen Mann, war ein Opfer geworden – wenigstens glaubte er das. Er war Zeuge geworden, wie jede lebende Seele in der Welt um ihn herum gestorben war, nur seine eigene Familie nicht, doch den wahren Grund all dieses Leids hat er nie verstanden. Noahs Versagen bestand darin, dass er die Arche baute und dabei wie alle Opfer dachte, sein eigenes Leid würde seine Seele reinigen. Doch weil er nie den Schmerz der anderen fühlte, konnte er im spirituellen Sinne nicht wachsen.«
Sie folgten dem Riverside Drive in Richtung Westen. Shep war tief in Gedanken versunken. »Ich habe großes Leid verursacht, Virgil. Wie kann ich von meinen Sünden erlöst werden? Ich meine, wenn sogar jemand wie Noah alles vermasselt hat, hat dann so eine Null wie ich überhaupt eine Chance?«
»Wenn ein Mensch versucht, seine Seele von schwierigen Umständen zu reinigen, so muss er zunächst lernen, sein Herz zu öffnen.«
»Du willst damit sagen, dass ich kalt geworden bin. Gefühllos.«
»Ist das so?«
Shep dachte darüber nach, was er antworten sollte. »Manchmal ist Kälte das einzige Mittel, um zu überleben. Es gibt so viel Böses in der Welt, Virgil. Wenn man gegen Terroristen kämpft, kann man nicht ständig wie Gandhi sein.«
»Gandhi hat gesagt: ›Sei die Veränderung, die du in der Welt sehen willst.‹ Gewalt führt nur zu noch mehr Gewalt.«
»Schöne Worte, aber nicht sehr praktisch, wenn man es mit feindlichen Aufständischen zu tun hat, die darauf aus sind, Unschuldige zu töten.«
»Der Unterschied zwischen einem Aufständischen und einem Freiheitskämpfer besteht darin, auf welcher Seite man sich in einem bestimmten Augenblick gerade befindet. Für die Toten ist er in jedem Fall bedeutungslos. Das Leben ist eine Prüfung, Patrick. Noah hat diese Prüfung nicht bestanden, und seine Seele fand keinen Zugang zum unendlichen Licht des Schöpfers. Wie alle Seelen, denen es nicht gelingt, ihr tikkun zu vollenden, wurde sie auf eine weitere Mission geschickt.«
»Auf eine weitere Mission? Du sprichst von Reinkarnation? «
»Der Prozess wird als gilgul neschamot bezeichnet, was Rad der Seele bedeutet. Eine Seele steigt in die physische Welt hinab, denn sie muss
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