Das Ende - Alten, S: Ende
Universum zu kontrollieren.«
»Entschuldige, Virgil, aber wie kann uns irgendetwas davon in unserer Lage helfen?«
»Paolo, wenn du wirklich glaubst, dass Gott alles sieht und alles weiß, dann ist es eine Beleidigung, wenn du denkst, dass Er daran erinnert werden muss, dir zu helfen. ›Hey, Gott, ich brauche dich hier unten. Und vergiss meine Seelengefährtin, mein Geld und mein Essen nicht.‹ < Darum fragte Gott, der Schöpfer, Gott, das Licht, Moses ma titzach alai – warum schreist du zu mir? Was Gott damit sagen wollte, war: ›Moses, wach auf. Du hast die Mittel. Benutze sie.‹ Hier geht es um den Sieg des Geistes über die Materie.«
Shep ging ruhelos auf und ab, den Blick in Richtung der näher kommenden Fahrzeuge gewendet. »Virgil, das ist jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt für eine Predigt.«
Der alte Mann schnitt eine Grimasse. »Patrick, die Verbindung, die sich mithilfe der zweiundsiebzig Namen aufbauen lässt, wird nicht zustande kommen, solange deine Gedanken und deine Handlungen unrein sind. Auch Moses zweifelte, und deshalb teilte sich das Meer nicht. Doch ein Mann schwankte nicht in seinem Glauben. Ein frommer Mann nahm Moses’ Stab mit den zweiundsiebzig eingeprägten Namen und schritt ohne zu zögern mitten hinein in das Rote Meer, bis ihm das Wasser bis zum Kinn reichte – und genau in diesem Augenblick teilten sich die Fluten. Siehst du, Paolo, wenn es um
den Glauben geht, darf es keinen Zweifel und kein Ego geben – nur Sicherheit. Das hebräische Alphabet besteht aus zweiundzwanzig Buchstaben. In den zweiundsiebzig Namen Gottes fehlt ein entscheidender Buchstabe – nämlich Gimel. Dieser Buchstabe steht für ga’avah, das menschliche Ego. Wenn du wirklich an Gott glaubst, kann es keinen Raum für Zweifel geben.«
Shep wandte sich von dieser Unterhaltung ab. Das Adrenalin strömte durch seinen Körper, während er darauf wartete, dass die Militärfahrzeuge auftauchen würden. Keine Fluchtmöglichkeit, kein Versteck, und wegen eines verrückten Alten und einer Schwangeren kommen wir kaum voran.
Er betrachtete das Reservoir. Das Wasserbecken war so groß, dass es sich in ost-westlicher Richtung fast von einer Seite des Parks zur anderen erstreckte. In südlicher Richtung verschwand sein zehn Blocks entfernter Horizont in einer Nebelbank.
Nebel?
»Paolo, wir müssen ein Boot finden.«
Das Jacqueline Kennedy Onassis Reservoir war ein zwölf Meter tiefes und dreiundvierzig Hektar großes Wasserbecken; eine über drei Kilometer lange Joggingstrecke und ein hoher Maschendrahtzaun umgaben das gesamte Gelände. Der Wartungsschuppen des Reservoirs lag etwas abseits des Asphaltwegs.
Shep trat die Tür auf, und Paolo leuchtete mit seiner Taschenlampe hinein. Das gelbe Schlauchboot hing an zwei Flaschenzügen von den Deckenbalken. Mit einem einzigen Hieb seiner Armprothese durchtrennte Shep die Seile. Er griff sich ein Ruder und half Paolo, das Schlauchboot nach draußen zu ziehen.
»Hierher!« Virgil und Francesca warteten bei den öffentlichen Toiletten in der Nähe der Joggingstrecke. Der alte Mann hatte an der Verbindung von Zaun und Backsteingebäude ein Stück des Maschendrahts gelöst, sodass sie zur Wasserfläche gelangen konnten.
Die Fassade des Gebäudes war mit Graffiti bedeckt, die von den Insignien verschiedener Gangs über Liebesbotschaften bis zu kleinen Kunstwerken in bunten Sprühfarben reichten, die selbst einen Keith Haring beschämt hätten. Ganz oben auf der Wand stand die prophetische Botschaft:
Darunter befand sich in fast anderthalb Meter hohen Buchstaben die Hommage eines Rockfans an seine Lieblingsband:
Shep starrte das stilisierte Graffito an, und eine schwache Erinnerung schien gleichsam an seinem Gehirn zu zerren.
»Patrick, wir brauchen dich.« Virgil und Paolo hatten das aus seiner Verankerung gelöste Stück Zaun nach oben gebogen, sodass Shep das Schlauchboot durch die Öffnung ins Wasser schieben konnte. Paolo kletterte zuerst ins Boot und half dann Francesca und Virgil. Shep kroch durch die Öffnung, bog den Zaun wieder in seine ursprüngliche Position und kniete sich neben Virgil ins Heck. Mit der rechten Hand umklammerte er den mittleren Teil des Ruders, doch es gelang ihm nicht, mit dem zangenartigen Überrest seiner linken Armprothese das Ruder auch noch weiter vorn festzuhalten.
»Du gestattest, mein Freund.« Paolo nahm Patrick das Ruder ab und sorgte mit kräftigen Zügen dafür, dass sich das Schlauchboot von der
Weitere Kostenlose Bücher