Das Ende - Alten, S: Ende
gottlose Heiden.«
Patrick blickt nach unten und entdeckt verblüfft Lieutenant Colonel Philip Argenti. Auf dem Rücken liegend, treibt der Geistliche direkt neben dem Schlauchboot durch das Wasser. Noch immer trägt er seine wallende schwarze Soutane, und die leichte Strömung des fahrenden Bootes wirkt wie ein Seil, das die Leiche mit der Bordwand verbindet.
»Der Krieg ist die Hölle, Shepherd. Wir mussten Opfer bringen, um unsere Ziele zu erreichen. Wir taten, was getan werden musste.«
»Was für wen getan werden musste?«
»Die Freiheit hat ihren Preis.«
»Und wer bezahlt diesen Preis? Wir haben Familien ausgelöscht … und ganze Dörfer. Diese Menschen haben nicht darum gebeten, dass man sie bombardiert und in ihr Land einfällt. «
»Ich fasse es nicht, Sergeant. Menschen? Das sind Moslems, die Geißel der Erde. Ein Haufen nichtsnutziger Araber, die einzig und allein im Sinn haben, die Gesellschaften des Westens zu vernichten.«
»Das stimmt nicht. Die Mehrheit dieser Menschen will einfach nur in Frieden leben.«
»Niemand hat Sie um Ihre Meinung zu diesem Einsatz gebeten, Sergeant. Sie wurden dazu ausgebildet, Amerika gegen jedermann zu verteidigen, der versucht, die Art, wie wir leben, zu zerstören. Doch Sie haben den Ausweg eines Feiglings gewählt, Sie haben alles stehen und liegen lassen und sind davongerannt. Dadurch haben Sie Schande über Ihre Familie gebracht und sich Ihrer Uniform als unwürdig erwiesen. Und am allerschlimmsten ist: Sie haben Ihren Herrn und Erlöser Jesus Christus verraten.«
»Jesus war ein Mann des Friedens. Nie hat er irgendeinen gewalttätigen Akt unterstützt.«
»Wachen Sie auf, Sergeant! Amerika ist eine christliche Nation. Eine Nation unter Gott.«
»Seit wann ist Amerika eine christliche Nation? Seit wann braucht Gott den Menschen, um Seine Heiligen Kriege zu führen? Unsere Militäraktionen mit dem Namen Gottes zu schmücken macht die Gewalt genauso wenig zu einer heiligen Handlung wie das Ausrufen des Dschihads die Angriffe von al-Qaida zu einem heiligen Unternehmen macht. Sehen Sie genau hin, Colonel. Das sind die Leben, die wir im Namen Gottes geraubt haben, das sind die Menschen, die wir diffamiert
haben; so haben wir uns eine Entschuldigung verschafft, die es uns erlaubte, ihre Städte zu bombardieren. Das sind die Kinder, die wir abgeschlachtet haben, damit wir …«
»Sparen Sie sich Ihre Worte, Sie Verräter. Würden Sie etwa zusehen, wenn islamistische Terroristen noch einmal an unseren Küsten zuschlagen? Was für ein Amerikaner sind Sie eigentlich? «
»Einer, der sich weigert, noch länger Ihr Werkzeug zu sein. Den 11. September mit Saddam in Verbindung zu bringen, die Existenz von Massenvernichtungswaffen zu verkünden, von der Verbreitung von Demokratie zu sprechen … Das alles war eine einzige Lüge. Fanatiker wie Sie hatten nur ein einziges Ziel: Sie wollten sich die Kontrolle über die irakischen Ölfelder verschaffen. Krieg dient nur dazu, dem militärisch-industriellen Komplex blendende Geschäfte zu verschaffen. Wer kommt als Nächster dran? Der Iran? Venezuela? Gehört das ebenfalls zu Gottes großem Plan?«
»Wer sind Sie, dass Sie sich erlauben, mir eine Predigt zu halten? Wir beide wissen, warum Sie in den Irak gegangen sind. Sie haben ein Ziel gesucht. Sie brauchten einen feindlichen Kämpfer, den Sie durch Ihr Fadenkreuz fixieren und in Fetzen schießen konnten, um die Ernte Ihrer süßen Rache einzufahren. Wir haben Ihnen diese Möglichkeit gegeben, Sergeant – und das ist die Art, wie Sie es uns jetzt danken?«
Shep mustert die zahllosen fleckigen braunen Gesichter, die ihn stumm anstarren. »Sie haben recht. Niemand hat mich gezwungen zu gehen. Es war meine Entscheidung. Ich wollte Gerechtigkeit … und Rache. Ich habe Unschuldige getötet. Ich glaubte sogar, dass Gott auf meiner Seite ist … Doch nur, bis ich zum ersten Mal einem Menschen das Leben nahm. Meine Handlungen brachten keine Gerechtigkeit, sie brachten nur noch mehr Schmerz und Leid. Ich habe zugelassen, dass Wut meine Seele befleckt, und die Schuld liegt ganz allein bei mir.«
Eine weitere Lichtexplosion durchdringt den Nebel, doch dieser Funke erstrahlt direkt unter dem Schlauchboot und erhellt die Gesichter der Toten. Anstatt zu erlöschen, steigt das Licht immer höher, während es Colonel Argenti umkreist wie ein hungriger Hai.
Der Geistliche spürt, dass sich ihm ein übernatürliches Wesen nähert. »Der Todesengel! Lassen Sie nicht zu, dass er mich
Weitere Kostenlose Bücher