Das Ende - Alten, S: Ende
einzuziehen …«
»Mr. Shepherd hat keine Erinnerung daran, dass diese Wohnung überhaupt existiert«, stellte Leigh klar. »Ich bin nur hier, weil ich die Adresse in seiner Militärakte gefunden habe.«
»Und ich bin nur hier, weil meine Frau mich an einem Samstagabend hierhergeschleift hat.« Doug erwiderte den wütenden Blick seiner Frau.
»Zehn Minuten, Doug. Hör auf, so egoistisch zu sein.«
»Ich soll egoistisch sein?« Er durchsuchte einen Zeitschriftenständer und schnappte sich eine alte Ausgabe
von Sports Illustrated . »Sag mir Bescheid, wenn du startklar bist. Ich bin im Bad.«
»Entschuldigung, Mr. Brown. Wo ist dieser Wandschrank, den Sie am Telefon erwähnten?«
Leigh folgte dem Hausverwalter zu einer verspiegelten Wand. Brown tippte mit dem Finger dagegen, womit er den Magnetverschluss entriegelte. Er zog die Tür auf, und zum Vorschein kam ein begehbarer Lagerbereich.
Es gab ein paar Hemden auf Bügeln und eine Navy-Uniform. Der Rest von Patrick Shepherds Garderobe bestand aus Haufen schmutziger Wäsche. Ein Geruch von alkoholdurchtränktem Jeansstoff, mariniert mit noch nicht abgestandenem Körpergeruch, stieg von dem gebohnerten Fußboden auf.
Die gestapelten Pappkartons erschienen verlockender.
»Mr. Brown, ich brauche ein paar Minuten, um die Habseligkeiten meines Patienten durchzusehen.«
»Ziehen Sie einfach die Tür zu, wenn Sie gehen. Ich werd später zurückkommen und absperren.«
»Danke.« Sie wartete, bis er weg war, bevor sie die ersten paar Kartons durchstöberte. Baseball-Klamotten. Stollenschuhe und Trikots mit Grasflecken. Bündel nie getragener T-Shirts mit dem Aufdruck BOSTON STRANGLER auf der Brust. Sie sah noch drei Kartons durch und fand dann, begraben unter einem Haufen Jacken, die Truhe.
Sie ging auf ein Knie hinunter, ließ die Stahlverschlüsse aufschnappen und hob den Deckel an.
Abgestandene Luft, moschusartig und voller abgelegter Erinnerungen, entwich aus dem lange verschlossenen Behälter. Sie nahm ein pinkfarbenes Damen-Kapuzensweatshirt der Rutgers University heraus, dann
zwei Ausstattungen für Kleinkinder, die kleinere eine Yankees-Montur, die größere ein Red-Sox-Shirt. Die drei College-Lehrbücher, die alle von europäischer Literatur handelten, waren voller Unterstreichungen und mit Randbemerkungen versehen, eindeutig in der Handschrift einer Frau. Sie suchte vergeblich nach einem Namen, dann sah sie die gerahmte Fotografie, eine Aufnahme, die vor einem Studentenwohnheim gemacht worden war.
Das Mädchen war knapp zwanzig, blond und schön wie ein Model, ihr langes Haar fiel wellig herab. Ihr Freund umarmte sie von hinten. Ein hübscher Bursche, und er zeigte ein großspuriges Lächeln. Leigh starrte auf das Bild von Patrick Shepherd in seiner Jugend. Sieh dich an. Du hattest die Welt im Sack, und du bist fortgegangen – nur damit du durch die Hölle robben konntest.
»Leigh? Das musst du dir ansehen.«
Sie ging mit dem Foto in der Hand zu ihrem Mann ins Bad.
Doug deutete auf den Arzneischrank. »Ich würde sagen, dein Junge hat ein paar ernsthafte Probleme.«
Die handschriftliche Notiz, mit den Jahren vergilbt, klebte auf dem Spiegel.
Shep,
die Stimme, die Dir sagt, Du sollst Dich umbringen, ist Satan. Selbstmord ist eine Todsünde. Deiner Familie zuliebe , reiß Dich am Riemen und akzeptiere Deine Strafe. Heute musst Du für sie leben .
Er ist kränker, als ich dachte … Sie öffnete den Arzneischrank, dessen schmale Regale voller abgelaufener rezeptpflichtiger
Medikamente waren. »Amoxapin, Thorazin, Haldol. Trifluoperazin, Triavil, Moban. Hier sind genug Antidepressiva und Beruhigungsmittel, um das ganze Gebäude medikamentös zu behandeln.«
»Sieht so aus, als ob er selbstmordgefährdet war, lange bevor er seinen Arm verlor. Ich wette mit dir ums Abendessen, dass er eine geladene Waffe unter seinem Kopfkissen hat.« Doug verließ das Badezimmer, ging rüber zum Bett und warf die Gänsedaunen-Kissen beiseite. »Was ist das?«
Leigh ging zu ihm. »Hast du eine Waffe gefunden?«
»Nicht direkt.« Er hielt das ledergebundene Buch hoch.
Dantes Inferno.
Doug fuhr in westlicher Richtung auf der 34. Straße und lenkte den Range Rover auf eine der drei Fahrspuren, die durch den Lincoln-Tunnel nach New Jersey führen. »Willst du wissen, warum ich wütend bin? Weil du mehr Zeit mit deinem Soldatenkumpel verbringst als mit deiner eigenen Familie.«
»Das ist nicht wahr.«
»Wieso er, Leigh? Was ist so besonders an diesem
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