Das Ende Der Ausreden
unklar, was Herrn M. eigentlich so massiv aufbrachte; ich bat ihn daher, den Mitarbeiter einmal als Noody zu beschreiben.
Ich hielt die Luft an. Ich ahnte, was da jetzt vor uns lag.
Herr M. ist ein sehr kluger, reflektierter und humorvoller Mann. Wäre er das alles nicht, hätte er nach dieser Übung nie wieder mit mir gesprochen. Auf die Bitte, die Liste im ersten Schritt zu reduzieren um all das, was er auch ist, stockte er kurz, fragte noch mal nach und setzte dann den Stift an. Er begleitete das mit Äußerungen wie: »Okay, eitel bin ich auch. Ich sehe aber besser aus …!«, »Na ja, gelackt finde ich mich nicht, aber das kann man wahrscheinlich auch anders wahrnehmen«, »Phhh, würden Sie mich einen Schwafler nennen? Nein, oder? Aber viel reden tue ich schon!«, »Ein Angeber bin ich aber wirklich nicht, oder? Obwohl – tue Gutes und rede darüber, ist ja auch mein Motto, klappern gehört zum Handwerk.«
Punkt für Punkt strich er. Sobald er den abwertenden durch einen freundlicheren Begriff ersetzte, konnte er sehen, dass er auch so ist wie der Mann, der ihn so aufregt. Vielleicht ein bisschen eleganter, weniger laut, aber da zeigte sich schon sehr viel Ähnlichkeit … Ein Punkt blieb übrig. Die himmelblauen Socken. Herr M. rollte mit den Augen: »Sie wollen mir doch jetzt bitte nicht sagen, dass ich Herrn T. nur wegen seiner Socken hasse?«
Himmelblaue Socken sind nun tatsächlich so ungefähr das Letzte, was Herr M. tragen würde. Klassisch-elegantes Berateroutfit, Krawatte, Einstecktuch, randlose Brille, alles dezent, perfekt abgestimmt. Mit seiner geschmacklichen Entscheidung hat er sicher die Mehrheit in Sachen Businessmode hinter sich. Trotzdem: Warum regten ihn die Socken so unglaublich auf? Zumal sie – obwohl ganz unverständlich aus seiner Sicht – die Kunden offenbar gar nicht störten.
Es zeigte sich, dass die Provokation genau daher rührte, dass Herr T. etwas tat, was für Herrn M. undenkbar wäre. Nämlich sich entgegen einer Konvention zu kleiden. Die darunter liegende Überzeugung könnte heißen: »Ich muss jederzeit dem Anlass angemessen gekleidet sein«, »Ich muss immer gut aussehen!«, »Ich muss (wenn auch stilvoll) angepasst sein!«
Herr T. hält sich nicht an diese Regel – und: hat dabei Erfolg. Er ist der lebende Beweis, dass es auch anders gehen kann. Nicht »nur so«. Und genau das ist unerträglich! Das Ego wittert einen Skandal und rotiert. Erst wenn wir den angeblichen Skandal einmal in Ruhe betrachten, können wir aufhören, uns so aufzuplustern.
Zwei Anlässe gibt es, bei denen wir innerlich besonders am Rad drehen: zum einen, wenn jemand so ist, wie wir es auch sind, aber wir das nicht wahrhaben wollen. Und zum anderen, wenn er etwas tut, das wir nie täten. Aber das wir vielleicht gerne täten, es uns aber nicht erlauben oder eingestehen. Und das uns vielleicht sogar guttun würde. Im Fall mit den himmelblauen Socken kam beides zusammen. Herr M. hatte die Größe, herzlich über sich selbst zu lachen.
2. Einen Konflikt klären: Was ist Ihr eigener Anteil, und was bleibt dann noch übrig?
Wenn Sie einen Konflikt mit jemandem haben und noch nicht wissen, ob Sie ihn klären wollen, und wenn ja, wie – dann ist diese Übungsvariante sehr hilfreich.
Schreiben Sie einen Brief an Ihren Konfliktpartner. Genau so, wie Sie vorher den Noody ohne jede Zurückhaltung beschrieben haben, lassen Sie jetzt Ihren ganzen Zorn in die Feder fließen oder auf die Tasten hämmern. Vergessen Sie, was Sie jemals über erwachsene Kommunikation und den Sinn konstruktiver Ich-Botschaften gelernt haben. Schreiben Sie es so auf, wie Ihnen zumute ist. Alle Vorwürfe ohne jede Mäßigung, einfach raus damit! Werfen Sie ihm oder ihr alles an den Kopf, was Ihnen vielleicht noch nicht mal nach einem Glas Wein zu viel herausgerutscht wäre. Verwenden Sie hemmungslos die Killerformulierungen, die für positive Gespräche eigentlich tabu sind: Immer machst du …, nie bist du … Endlich mal ungehemmt und ohne Sorge, was das bewirken könnte. Allein diese Pause, die Sie sich gerade von Ihrer kontrollierten Vernunft nehmen, diese völlig unerwachsene und unvernünftige Schimpftirade – die hilft. Schreiben Sie, bis Sie alles, wirklich alles, losgeworden sind.
Und dann machen Sie eine Pause.
Anschließend sortieren Sie, wie gewohnt.
Was trifft auf Sie selbst zu? Streichen. Was trifft auf Sie nicht zu – aber wäre in der positiven Wendung gut für Sie? Wenn Ihr Mann Sie mit seiner
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