Das Ende Der Ausreden
verblüffenden Erkenntnisse können in dieser Atmosphäre meist heiter und ohne Widerwillen geerntet werden. Denn wie bei allen anderen Varianten geht es auch hier ja nicht um die Prominenz, sondern um uns.
Spannend wird es, wenn man darüber spricht, was man warum bewundert oder ablehnt, warum man gerne oder auf keinen Fall so sein möchte. Dann purzeln die persönlichen Überzeugungen, Tabus und Gebote nur so in die Mitte.
So setzte eine junge Frau neulich eine bekannte deutsche Schauspielerin auf ihre Negativliste. Sie hatte sie kurz zuvor live erlebt, wie sie vor einem Hotel Autogramme gab. Die sei ja furchtbar, was die sich auftakelt … Und dann das Getue! Und: »Die trägt – bei den Beinen! – sooo’n Mini!!«, die erste Handbewegung modellierte Rubensformen in die Luft und die zweite landete kurz unter dem Schambein. An dieser Stelle der Beschreibung war die Empörung am lautesten.
Natürlich reden wir ja nur scheinbar über andere. In Wirklichkeit machen wir ein indirektes Statement über uns selbst, je aufgeregter, desto deutlicher. Implizit lautet die Botschaft: »Das würde ich nie tun!« Und auch: »So eine Frau will ich auf keinen Fall sein!«
Dass eine kurvige, üppige Frau das auch noch unterstreicht und sich mit engem Kleid und tiefem Dekolleté präsentiert, konnte die junge (im Übrigen sehr hübsche, aber optisch eher zurückhaltende) Frau kaum fassen. Dabei waren sich alle im Seminar augenblicklich einig, dass ihr ein bisschen Mini im tatsächlichen und übertragenen Sinn ganz klasse stünde.
Tatsächlich ist die Ablehnung eines bestimmten Frauentypus eine Absage an die Vielfalt von Möglichkeiten, weiblich zu sein, eine Reduktion auf jene Facette, in der frau sich sicher fühlt.
Wie wäre ein etwas freundlicherer Blick auf die eigene Weiblichkeit und die Erlaubnis, erotische Karten auch dann zu spielen, wenn wir nicht perfekt sind? Das könnte der Anfang sein, die eigene Idee vom Frausein größer, flexibler, bunter, reicher zu machen, und würde zugleich erlauben, Frauen, die andere Lebensentwürfe haben, als spannend und nicht als Provokation zu erleben.
Das Andere als Möglichkeit auch für sich zu verstehen, ist Versöhnung, Abenteuer und Befreiung. Keine Frau muss ja einen mikrokurzen Mini tragen, wenn sie nicht will. Aber sie könnte und sie dürfte – wenn sie es sich selbst erlaubt.
Genauso verhält es sich, wenn eine der Leistung verpflichtete Frau die Ehefrau eines Rennfahrers deshalb blöd findet, weil diese Ruhm ohne eigene Anstrengung für sich in Anspruch nimmt. Oder ein hoch gewissenhafter Mann es nicht begreifen kann, weshalb ein berühmter Fußballer alles Mögliche tun kann, was man nicht tut (untreu sein, uneheliche Kinder zeugen, peinliche Werbung machen), und trotzdem so beliebt ist. Die Fassungslosigkeit stammt immer aus derselben Quelle – warum kann die oder der sich nur so verhalten, wie ich es mir verbiete. Und dabei auch noch prominent, bestens gelaunt und hoch bezahlt sein …
Ich kann also meiner spontanen Ablehnung trauen und mich von ihr führen lassen. Sie bringt mich zu wichtigen Fragen, die in mir arbeiten.
Dazu muss ich nur aufhören, mich über die anderen aufzuregen, und mich mir selbst zuwenden. Was will mir meine Empörung mitteilen? Was steckt hinter der Ablehnung? Welche unpraktische Überzeugung kann ich hier enttarnen und ad acta legen?
Ärger blind und selbstgerecht auszuagieren, bringt selten weiter. Ihn aber wie eine Wünschelrute zu nutzen, sehr wohl – immer lohnt es sich, da etwas tiefer zu graben …
28 Von den Ausreden lassen. Ganz erdverbunden üben und: Den Kopf in die Sterne heben
Im Lichte der 340 Seiten Weges, die wir gemeinsam gegangen sind, möchte ich die Thesen, die ich Ihnen im Einstiegskapitel angeboten haben, noch einmal aufgreifen.
In den wichtigen Fragen Ihres Lebens sollten Sie sich selbst keine Ausreden erzählen. Sie mögen gute Gründe haben, anderen etwas vorzuflunkern – sich selbst zu belügen, ist eine andere Sache.
Wenn Sie sich mit Ihrem Leben beschäftigen, können Sie die roten Fäden Ihrer Biografie entdecken und Ihre Persönlichkeit – Stand: heute – als Antwort darauf verstehen.
Wenn Sie mit anderen Menschen über Ihr und deren Leben sprechen, werden Sie, vielleicht mit einer gewissen Erleichterung, erfahren, dass Sie mit der einen oder anderen inneren Narbe nicht allein sind. Paradiesische Kindertage sind die Ausnahme, nicht die Regel.
Indem Sie die Identifikation mit Ihrem Ego aufheben
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