Erdschiff Giganto - Alle sechs Romane
Giganto meldet:
Vorstoß in die Erde
Das Ferienabenteuer beginnt
»Schwül, heute abend«, pustete Henri, »ich glaube, vor dem Abendessen spring ich schnell mal ins Schwimmbecken!«
»Aber sieh erst nach, ob das Wasser nicht abgelassen ist«, sagte Tatjana. Tatjana, genannt Tati, war Henris Schwester. Ein Jahr jünger als er, sah sie zu seinem stillen Ärger älter aus. Daß sie sehr hübsch, schlank und sportlich war, kümmerte ihn dabei nicht.
Für Micha, den kleinen Bruder der beiden, gab es einen Trost: Es war ja noch der Zwergpudel Loulou da, auf den er seinerseits herabgucken konnte.
Zu den drei Geschwistern zählten als Abenteuergefährten noch zwei von Henris Schulfreunden. Vor allem aber darf die Hauptperson dieser unvergleichlich geheimnisvollen, spannenden und aufregenden Ferien nicht vergessen werden: Marcel. Der spindeldürre, flachsblonde Junge mit der Riesenbrille. Wegen seiner Blitzgescheitheit hieß er bei den anderen immer nur »das Superhirn«. In Monton, am Golf von Biskaya, oberhalb jener weiten atlantischen Bucht zwischen der gebirgigen Nordküste Spaniens und der flachen Westküste Frankreichs, besaß Superhirns Onkel einen Landsitz mit einem malerischen Schloß am Steilhang.
Der Onkel war nicht da. Er würde wohl noch eine lange Zeit wegbleiben. Was die jugendlichen Gefährten nicht störte. Sie konnten sich zwanglos in dem unheimlich schönen (oder schön unheimlichen) Schlößchen tummeln. Die nähere Umgebung bestand aus einem Park mit herrlichen alten Bäumen, Blumenrondellen, Brunnen, Steinfiguren, Grotten, aber auch aus einem Golfplatz, einer »Trimm-dich-Wiese« mit modernsten Sportgeräten und dem neuen Swimming-Pool. In diesem Grundstück konnte man sich nach Herzenslust austoben, oder man konnte perfekt faulenzen oder über Felsmauern in die Fischer-und Segelsporthäfen der winzigen, tief unten liegenden Bucht von Monton sehen.
Den heutigen Tag aber hatten die Gefährten im Ort unterhalb des Steilhangs verbracht, um an den Vorbereitungen für ein Volksfest teilzunehmen.
»Was mich betrifft«, sagte Tati noch zu ihrem Bruder Henri, »ich schwimme heute nicht mehr. Ich bade inwendig. Mit Limonade. Ich habe Durst wie ein Kamel.«
»Du bist zwar ein Kamel«, grinste Henri, »aber ein Kamel hat selten Durst!«
»Sehr schlau!« verteidigte sich Tatjana. »Auch wenn du dich nicht zu den Kamelen rechnest, läufst du wie ein Trampeltier. Wo du hinstapfst, wächst kein Gras mehr!«
»Olle Kamelie!« frotzelte Henri.
»Danke«, lächelte Tatjana. Sie machte einen beneidenswert anmutigen Knicks. »Eine Kamelie ist eine japanische Rose.«
»Merkst du was?« feixte Superhirn. »Die japanische Rose pikt wie 'ne Distel!«
»Hau ab, geh schwimmen, Henri«, riet Gérard seinem Klassenkameraden. Madame Claire, die Wirtschafterin, hatte den Tisch auf der Terrasse bereits gedeckt: »Na, habt ihr was erlebt? Ihr seht ganz so aus!«
»Und ob!« rief der kleine Micha. »Morgen fängt in Monton die Festwoche an. Na – und was da schon alles aufgebaut ist!«
Madame Claire lachte. »500-Jahr-Feier! Daß ich nicht lache. Dabei haben zur Zeit meiner Großmutter erst drei Fischerhäuser an der Bucht gestanden!«
Superhirn grinste. »Es gibt keinen Ort auf der Welt, der nicht irgend 'nen Anlaß zum Feiern sucht und auch findet. Der Bürgermeister stützt sich auf die Ausgrabungen angeblicher Grundmauern, auf ein zerfleddertes Buch des Pfarrers – und auf die Familie meines Onkels, der das Gut und ein Stück Ufer schon seit langer Zeit gehört.«
»Die Hauptsache ist der Jahrmarkt!« ereiferte sich Micha. »Die Geisterbahn, das Autodrom, das Pony-Karussell, das Gondelrad, die Stände, Buden, Kapellen, der Fesselballon, der morgen steigen soll, das Feuerwerk – und vor allem ... Fußball!!!«
Waff, waff! bellte der kleine Pudel wie zur Bekräftigung.
Nach dem Essen, bei dem Henris Gesicht besonders reinlich glänzte, wollten Gérard und sein Klassenkamerad Prosper Steine in den Brunnen auf der Wiese werfen. Sie stritten sich seit zwei Tagen, ob der Plumps nach fünf oder sechs Sekunden erfolgte. Wenn einer warf, bediente der andere die Stoppuhr. Und jeder beschuldigte den anderen, nicht rechtzeitig zu »schalten«. Die Stoppuhr gehörte Henri, aber sein kleiner Bruder Micha sauste sofort nach oben, um sie zu holen: eine Gelegenheit, das teure Ding auch mal in der Hand zu haben.
Er war noch nicht wieder da, als ein Blitz wie ein himmelhoher Speer in Madame Claires Küchengarten fuhr und einen
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