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Das Ende der Geduld

Das Ende der Geduld

Titel: Das Ende der Geduld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Heisig
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unterlaufen, indem sie die Söhne in die Türkei oder den Libanon schickten.
    Ich habe im Laufe der Jahre außerdem den Eindruck gewonnen, dass bei Migrantenfamilien seltener und zurückhaltender in das elterliche Sorgerecht eingegriffen wird als bei den Deutschen. In den Bundeszentralregisterauszügen der Angeklagten wird neben den strafrechtlichen Vorbelastungen auch eingetragen, wenn sorgerechtliche Entscheidungen des Familiengerichts ergangen sind. Bei deutschen Eltern habe ich einige Einträge gefunden, bei den Zuwanderern nicht, wobei ich betone, dass ich naturgemäß nicht sämtliche in Betracht kommenden Fälle überprüfen kann.
    Meine Kollegen und ich stehen schließlich am Ende dieser Kette von Fehlentwicklungen. Was mich stört, ist, dass ich in solchen Fällen nur als eine Art „Reparaturbetrieb" agieren kann - und dann auch noch als erfolgloser. Wir strafen ab. Damit erfüllen wir eine uns übertragene Aufgabe. Der einer Verurteilung folgende mehrjährige Aufenthalt in der Jugendstrafanstalt macht die Jugendlichen aber nicht zwangsläufig besser. Obwohl sie z. T. jahrelang psychologisch betreut und begleitet werden - ein Privileg, das ihren Opfern wahrscheinlich nicht zuteilwird -, tritt selten eine dauerhafte Verhaltensänderung ein. Die Mütter hingegen unterstützen ihre Söhne auch während der Haftzeit in der Haltung: „Die [das Vergewaltigungsopfer] hat das doch gewollt", ein Unschuldiger sei verurteilt worden, und überhaupt spielten immer fremdenfeindliche Motive eine Rolle. Die Aulfassung „Knast macht Männer" wird übrigens ebenfalls vertreten. Auch die angebotenen Maßnahmen zur Verbesserung des Bildungsniveaus schlagen selten an. Wie „draußen" sind Yilmaz, Hussein und Kaan auch „drinnen" häufig als untragbar aus den Schulprojekten in der Haftanstalt geflogen. Ihre erlernten Verhaltensweisen des Boykottierens sind inzwischen derartig verfestigt, dass sie diese immer wieder anwenden.
    Ein weiteres Phänomen möchte ich an dieser Stelle in die Überlegungen einbeziehen. Es zeigt sich bei vielen Tätern mit Migrationshintergrund. Etliche türkischstämmige und „arabische" Jugendliche achten die in Deutschland geltenden Regeln und Gesetze nicht. Die hiesige Werteordnung ist ihnen gleichgültig. Sie setzen sich in jedem Lebensbereich darüber hinweg. Dies zeigt sich in aller Deutlichkeit während der Schulzeit. Lehrerinnen und Schülerinnen werden verbal herabgesetzt und gedemütigt. Zu einem sehr frühen Zeitpunkt wird deutlich, dass Frauen besonders missachtet werden. Mir wird bei entsprechenden Diskussionen über diese Problematik häufig entgegengehalten, dass die Jungen zunächst meist selbst diskriminiert werden und sich dann lediglich mit entsprechenden Äußerungen zur Wehr setzen. Das kann ich nicht widerlegen, aber unverständlich bleibt für mich dennoch, weshalb gerade Mädchen und Frauen so oft aufgrund ihres Geschlechts herabgewürdigt werden.
    Wenn ich in Neukölln Gespräche mit jungen Migranten führe, sind diese manchmal ganz offen in der Benennung ihres Frauenbildes. Sie sagen, dass junge deutsche Frauen für sie als Partnerin oder gar als Ehefrau nicht in Betracht kämen. Sie seien zu „verdorben". Einige andere äußern, dass selbst eine Berliner Türkin als Partnerin ausscheide, weil diese ebenfalls schon zu „westlich" also „verdorben", sei. Eine Jungfrau aus der „Heimat" sei die richtige Wahl. Die werde ohnehin von den Eltern ausgesucht, weshalb man sich keine großen Sorgen wegen der Verheiratung mache. Ich habe diese Praxis bereits am Rande der Hauptverhandlungen wahrgenommen. So verurteilte ich einen jungen kurdischstämmigen Mann mit deutscher Staatsangehörigkeit wegen eines wiederholten Überfalls auf einen Sexshop in Berlin-Wedding zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Er wollte der Vollstreckung unbedingt entgehen, weil er bereits eine kurdische Ehefrau und kleine Kinder hatte, die demnächst in der Kita angemeldet werden sollten. Meine Frage, weshalb das denn nicht die Frau regeln könne, beantwortete er damit, dass die Mutter seiner Kinder zum Zwecke der Verheiratung aus Kurdistan gekommen sei, bis vor Kurzem im Haushalt seiner Eltern gelebt habe und dort als Schwiegertochter sehr kurzgehalten wurde. Sie habe den Anweisungen seiner Mutter Folge zu leisten. Es sei nicht vorgesehen, dass die junge Frau die deutsche Sprache erlerne, weshalb sie ohne seine Unterstützung in allen Fragen außerhalb des häuslichen Umfeldes hilflos sei. Das sind

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