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Das Ende der Geduld

Das Ende der Geduld

Titel: Das Ende der Geduld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Heisig
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erbeutet wurden, wird erst später durch ein Geständnis eines Mittäters offengelegt.
    Wegen sämtlicher Taten erhält der Angeklagte mit Rücksicht auf sein sehr jugendliches Alter und angesichts der Tatsache, dass er bereits viele Monate in Untersuchungshaft gesessen hat, eine aus meiner Sicht maßvolle Jugendstrafe von unter vier Jahren. Für einen Erwachsenen sieht das StGB allein für einen schweren Raub unter Verwendung von Waffen eine Mindeststrafe von fünf Jahren vor.
    Ich verzichte darauf, noch schlimmere Gewaltdelikte zu schildern, obwohl dies ohne Weiteres möglich wäre. Ich denke, es ist jedem Leser bereits deutlich geworden, dass viele Täter sehr früh mit der Begehung von Straftaten beginnen und sich von Anfang an jeder Einflussnahme entziehen. Lehrerinnen und Lehrer, Jugendamtsoder Projektmitarbeiter, Polizeibeamte und -beamtinnen, Justizvollzugsbedienstete, ganz normale erwachsene Mitmenschen und die Justiz sind nicht in der Lage, die im Elternhaus von vornherein unterbliebene Grenzsetzung aufzufangen.
    Woher rührt dieses Phänomen bei einigen sehr kinderreichen Zuwandererfamilien aus dem türkischen, aber noch stärker aus dem arabischen Raum? Üblicherweise werden soziale Ursachen angeführt. Diese sind mit Sicherheit in gleicher Weise „kriminogen" wie bei den Lehmanns oder bei John. Darüber hinaus ist immer wieder davon die Rede, die eingewanderten Menschen litten teilweise unter Flüchtlingstraumata. „Meine" Angeklagten sind allerdings überwiegend in Deutschland geboren und haben deshalb keine Traumatisierung erlebt.
    Das in diesem Zusammenhang nahezu reflexartig vorgebrachte weitere Argument von „vierzig Jahren verfehlter Integrationspolitik" verfängt allmählich nicht mehr. Natürlich gab es hier Versäumnisse. Als die erste „Gastarbeitergeneration" entgegen der allgemeinen Erwartung nicht in die Heimat zurückkehrte, hätte ein Integrationskonzept entwickelt werden können. Besonders in der Schulpolitik hätte die Bildung reiner „Türkenklassen" verhindert werden müssen. Eine vernünftige Strategie hätte neben Integrationskursen aber auch den verpflichtenden Erwerb der deutschen Sprache regeln sollen. Integration ist ein Vertrag auf Gegenseitigkeit. Wer hierfür plädierte, wurde jedoch schnell der „Zwangsgermanisierung" bezichtigt. Wer mahnte, dass es nicht förderlich sei, die Ballung von Zuwanderergruppen in bestimmten Bezirken zuzulassen, stand ebenfalls gleich in der „rechten Ecke". So zauderten sich die Regierungen, egal welcher Couleur, von einer Legislaturperiode in die nächste. „Bloß keine heißen Eisen anfassen" schien die Devise zu sein.
    Bezogen auf die Einwanderer selbst sollte die Frage erlaubt sein, weshalb es ihnen teilweise selbst kein Bedürfnis ist, die Sprache der sie aufnehmenden Gesellschaft zu erlernen und sich mit den hier herrschenden Gepflogenheiten und Gesetzen vertraut zu machen. An diesem Punkt der Diskussion fallt dann üblicherweise das nächste Schlagwort: Die Menschen stammten aus „bildungsfernen" Ländern oder Landesteilen. Was bedeutet das denn? Mir ist der Unterschied zwischen Zuwanderern aus Ostanatolien, das als bildungsfern gilt, und denjenigen aus der Westtürkei geläufig, da ich es in meiner „Vörortarbeit" in Neukölln sehr häufig mit gebildeten türkischstämmigen Mitbürgern aus der westlichen Region des Landes zu tun habe, während „meine" Angeklagten einen kurdischen, ost-anatolischen oder angeblich palästinensischen Migrationshintergrund aufweisen. Die integrierten Westtürken haben überhaupt kein Verständnis dafür, dass der deutsche Staat den Zuwanderern aus den östlichen Regionen nichts abverlangt. Sie sagen, viele dieser Menschen seien einfach strukturiert. Man müsse ihnen deutlich machen, was von ihnen erwartet wird. Ähnlich äußern sich Zuwanderer aus dem Libanon zu den „arabischen" Großfamilien, denen ich noch ein gesondertes Kapitel widmen werde. Diese Einschätzung entspricht im Übrigen meiner Wahrnehmung, wenn ich immer noch, und zwar tendenziell eher zu- als abnehmend, Eltern treffe, die nach über zwanzigjährigem Aufenthalt in Deutschland die Sprache nicht einmal ansatzweise beherrschen. Es ist ja inzwischen auch kaum mehr nötig. Überall wird übersetzt, Aushänge sind in arabischer und türkischer Sprache zahlreich vorhanden, in den Schulen fangen die deutschen Kinder an, Türkisch zu lernen.
    Ich halte die erste „Gastarbeitergeneration", nebenbei bemerkt, für durchaus integrierter

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