Das Ende der Geduld
Mitinhaftierte drangsaliert und gedemütigt. In einem Fall drückte ein Intensivtäter den Kopf eines Mitinhaftierten in ein Toilettenbecken. Zuvor hatte er noch vor seinem Peiniger bis zur völligen körperlichen Erschöpfung Liegestütze machen müssen. Ein anderer musste den Zellenfußboden eines Mitinhaftierten „reinigen", indem er ihn ableckte. In einem weiteren Fall beteiligte sich ein Intensivtäter an der „Bestrafungsaktion" für einen neu Inhaftierten, der die ungeschriebenen Gesetze in der Untersuchungshaftanstalt noch nicht kannte. Der Häftling hatte sich irgendwo hingesetzt, und ein anderer meinte, das sei sein Platz. Dann setzte es Schläge, an denen sich viele Insassen beteiligten. Außerdem werden „die Neuen" gezwungen, ihre Habseligkeiten bei den „Chefs" der Knasthierarchie abzugeben. Dabei handelt es sich um Inhaftierte mit langjährigen Strafen oder mit hohem Aggressionspotenzial. So sei das in jeder Haftanstalt, wird mir berichtet, egal ob dort Deutsche oder Migranten die Mehrheit der Häftlinge stellen. Auch stören sich nur wenige daran, dass die Häftlinge in den Zellen über Handys verfügen. Gleichermaßen verhält es sich mit dem Besitz von Cannabis. Abgesehen von der Gewalt unter den Gefangenen selbst kommt diese auch gegenüber Völlzugsbediensteten zum Ausdruck. Sie müssen sich im Arbeitsalltag als „Huren", „Hurensöhne" und „Nazis" beschimpfen lassen und werden manchmal auch von Inhaftierten geschlagen. In anderen staatlichen Einrichtungen, die der Unterbringung von Jugendlichen dienen und dazu beitragen sollen, dass der junge Mensch nicht in Haft kommt, fallen ebenfalls beunruhigende Dinge vor. Man fragt sich z. B. beklommen, wie ein Jugendlicher, der zur Vermeidung der Untersuchungshaft in einem Heim untergebracht worden ist, an Metallspieße gelangen kann, mit denen er andere Mitinsassen attackiert.
Zurück zum kindlichen „Intensivtäter": Begeht ein 13-Jähriger eine Vergewaltigung, hat er sich dafür nicht zu verantworten. In einem mir erinnerlichen Fall kam es immerhin mit Zustimmung der Eltern und auf freiwilliger Basis zu einer vorübergehenden Unterbringung des Täters außerhalb des Heimatortes. Als Mutter und Vater nach kurzer Zeit meinten, der Junge müsse besuchsweise nach Hause kommen, gab es keine Handhabe zu verhindern, dass der Sohn die Einrichtung verließ. Hätte das Familiengericht zuvor einen Pfleger bestimmt, der hierüber zu befinden gehabt hätte, wäre die nächste Vergewaltigung vielleicht zu verhindern gewesen. So aber fiel dem Täter, der wiederum nicht allein agierte, nunmehr ein Kind zum Opfer. Das Familiengericht hatte allerdings keine Gelegenheit, eine das Sorgerecht der Eltern einschränkende Anordnung zu treffen, weil der Fall vom Jugendamt dort nach meiner Kenntnis gar nicht vorgetragen wurde.
Ich habe Täter wie Yilmaz, Hussein und Kaan, die alle ähnlich vorgingen und aus vergleichbaren Motiven handelten, bereits ein paar Mal in Vorträgen zur Diskussion gestellt. Dabei stehen nicht ausschließlich die Brutalität der Vergewaltigungen und das bis heute nicht erkennbare Mitleid mit den Opfern im Vordergrund, sondern die unübersehbare Tatsache, dass durch elterliches Versagen und unter den Augen der geduldig abwartenden staatlichen Institutionen schwer kriminelle Jugendliche heranwachsen können.
Das „Durchreichen" schwieriger Schüler von einer Schule an die nächste - das fällt auch hier wieder auf - ist sicherlich alles andere als förderlich. Genauso verhält es sich mit der Einrichtung einer Familienhilfe, die allzu oft genauso schnell wieder beendet wird. Insgesamt wird meiner Ansicht nach auch bei Tätern wie Yilmaz, Hussein und Kaan sichtbar, dass die staatliche Seite bei besseren Kommunikationsstrukturen früher und nachhaltiger hätte reagieren können. In diesem Fall scheint der Ablauf so gewesen zu sein, dass die Schulen, das Jugendamt, die Polizei und das Jugendgericht allein im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten gehandelt haben und keiner über „seinen Tellerrand schaute". Hätten die beteiligten Institutionen zusammengearbeitet, wären vielleicht ganz andere Handlungen möglich gewesen. Das Familiengericht hätte bei Vorliegen sämtlicher vorhandener Erkenntnisse mit Sicherheit eingegriffen. Mir ist vollkommen unklar, weshalb stattdessen jahrelang auf den Konsens mit den Eltern gesetzt wurde, obwohl von Anfang an klar war, dass diese überhaupt nicht kooperationsbereit waren. Sie haben alle Maßnahmen
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