Das Ende der Nacht: Horror-Roman (German Edition)
hatte. Steven erhob sich vom Sofa und für einen Moment standen sie in einem Dreieck und starrten sich an. Ich werde belauert, dachte sie, wie von Tieren, die sich auf ihre Beute stürzen wollen. Ein Vergleich, den sie noch weiter trieb (tollwütige Raubtiere), als sie schließlich aus dem Wohnzimmer lief, in die Küche und beide Zugänge verschloss. Maik und Steven rannten hinter ihr her, polterten nun gegen die Türen, jeder von einer Seite.
„Scheiße“, schrie Steven, „jetzt heißt es auch noch: Stress, Stress, Stress! Warum konntest du nicht einfach vor Angst erstarren, du Fotze?!“
„Nichts als Ärger mit euch Weibern“, fuhr Maik fort.
Für einen Moment war es ganz still. Michelle legte ein Ohr an die Tür, hinter der sie Steven vermutete. Ein leises Kichern, unverständliches Murmeln, dann schreckte sie zurück, als er sich gegen die Tür warf. Er klopfte und grölte, und Maik tat es ihm an der anderen Tür gleich. Das waren keine menschlichen Laute mehr, nein, auch nicht die von Tieren. Die beiden waren etwas vollkommen anderes.
Michelle schaute sich in der Küche um, suchte nach einem brauchbaren Gegenstand, um sich zu verteidigen. Zum Glück hatte sie häufiger mit Christina und ihrer Mutter zusammen gekocht, dass sie wusste, welche Schublade sie aufreißen musste. Sie fand das Beil, als Maik und Steven wieder von den Türen abgelassen hatten und sie stattdessen beschimpften und ihr drohten. Sie werden sie aufschlitzen, in ihrem Blut baden, die Gedärme fressen, all das, was sie in den Horrorfilmen zuvor gesehen hatte. Ja, ein wahr gewordener Horrorfilm, darin steckte sie, und für einen wirren Moment hoffte sie darauf, dass irgendwo Kameras jeden ihrer Schritte verfolgten. Für einen Snuff-Film vielleicht, das würde wenigstens einen Sinn ergeben. Aber so blieb alles unbegreiflich. Und warum nur blieb sie noch immer so ruhig, als würde sie lediglich ein Gesellschaftsspiel spielen? Warum empfand sie keine Panik, warum raste ihr Herz nicht?
Jetzt kann es losgehen, dachte sie. Das gleiche Etwas in Michelle war zuversichtlich, dass sie die beiden Jungs besiegen konnte, wenn sie es nur wollte. Christina war verletzt, vielleicht tot, und sie würde die Tat rächen, ihre Freundin rächen und ihr verdammt nochmal helfen. Das Grölen vor den Türen wurde durch ein anderes ersetzt, durch eines, das aus ihr kam, voll Hass und Mordlust. Sie fasste allen Mut zusammen und öffnete ruckartig die Tür, an der Steven klopfte.
„Ich komme, ihr Arschlöcher!“ rief sie ihm entgegen, während sie mit dem Beil ausholte und es tief in Stevens rechte Schulter bohrte. Nur kurz wunderte sie sich über ihre Kraft, mit der sie den Knochen zerteilt hatte, dann sah sie das Blut und spürte das Fleisch, und es fühlte sich so gut an. Dann riss sie das Beil wieder hinaus.
„Du Fotze!“ schrie Steven und hielt sich die linke Hand über die klaffende Wunde, aber es war wirkungslos, er verlor Blut, es sickerte durch seine Finger. Vor Schmerzen gekrümmt lief er zurück ins Wohnzimmer, hinterließ eine Spur aus roten Tropfen. Und als hätten sie sich abgeklatscht rannte Maik nun in den Flur vor die Küche.
Für einen Moment starrte er noch Steven hinterher, dann grinste er Michelle an, als wäre nichts geschehen. Sie holte erneut aus, schlug zu, aber erfasste nur Luft und ihre Kraft führte ins Leere. Blitzschnell war er ihr ausgewichen. Die Wucht, mit der sie zuschlagen wollte, warf sie zu Boden. Die Klinge des Beils glitt in den Teppich und blieb im Boden stecken. Gekrümmt stand sie da und zerrte an ihrem Instrument, als Maik ihr in den Magen trat, wieder begleitet von Schimpfwörtern. Michelle schrie auf und wurde durch die Kraft des Tritts zu Boden geschleudert. Das Beil blieb stecken.
Dann trat Maik ihr ins Gesicht. Es knackte in ihrem Mund. Er trat noch einmal zu, und noch einmal. Die Arme nun vor ihrem Gesicht versuchte sie, den Tritten die Härte zu nehmen. Aber sie schmeckte schon das Blut und fühlte mit ihrer Zunge Teile von Zähnen, die er ihr raus getreten hatte.
Plötzlich ließ Maik von ihr ab und sie vernahm einen dumpfen Laut. Michelle blieb auf dem Boden liegen und krümmte sich vor Schmerzen. Die Augen hielt sie geschlossen, erwartete bald weitere Tritte. Er hatte ihr gegen die Brust und in ihren Unterleib getreten und nun fing sie an, zu weinen. Ein Weinen, das so tief war wie der Hass und die Mordlust, die sie zuvor empfunden hatte. Sie hörte einen Schlag neben sich, dann noch einen und noch
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