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Das Ende der Nacht: Horror-Roman (German Edition)

Das Ende der Nacht: Horror-Roman (German Edition)

Titel: Das Ende der Nacht: Horror-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolas Preil
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erreichte ihre Ohren. Noch näher diesmal und lauter, obwohl die Fenster geschlossen waren. Das Etwas, zu dem dieser Laut gehörte, war anscheinend hinter ihnen. Aber als Michelle in den Rückspiegel schaute, sah sie nur eine leere Straße.
    „In das Ortsinnere.“
    Michelle folgte der Hauptstraße. Der Ort glich einer Geisterstadt, die durch das aufkommende Sonnenlicht unheimlich erhellt wurde. Alle Häuser sahen unbewohnt aus und weiterhin ließ sich kein Mensch blicken. Ein einziges Mal lief ein Hund über die Fahrbahn. Aus einer Bisswunde in der Seite lief Blut und so hinterließ die Kreatur eine Spur aus Tropfen, die Michelle an die Jungs im Haus erinnerte. Ohne sich nach dem Auto umzublicken, verschwand der Hund in einem Vorgarten.
    In der Ortsmitte fanden sich ein paar Schilder. Christina entschied sich für den Pfeil mit der Aufschrift Schule . Das Heulen ertönte noch einmal, als es plötzlich ein Ende hatte. An einer Kreuzung stand das Schild Zum steinernen Ochsen und Michelle folgte der Straße, bis sie abbog und sich vor ihnen etwas Unfassbares auftat.
    Michelle bremste scharf, weil sie sonst hinein gefahren wäre. Am Anfang hatte sie es für eine Täuschung gehalten. Doch jetzt, als sie näher dran war, musste sie zugeben, dass es wirklich das sein musste, für das sie es hielt. Michelle schüttelte den Kopf, schaltete in den Rückwärtsgang und brachte Abstand zwischen den Wagen und Es .
    „Was ist das?“, fragte Christina.
    Es war, wie sollte Michelle das nur ausdrücken?, wie ein seitlich aufragender Wirbelsturm, der über die Dächer der Häuser reichte und die gesamte Breite der Fahrbahn einnahm. Schaute man in sein Inneres, konnte der Blick aufgesogen werden, so kam es ihr vor, die Augen drehten sich im Kreis der Spiralen, die sich in Es bewegten. Und obwohl sich so viel in ihm bewegte, es nach einer immensen Kraft aussah, schien es nicht nach außen zu dringen. Seine Farben veränderten sich in unregelmäßigen Abständen, sie liefen ineinander, Schwarz mischte sich darin mit Weiß in etwas, das Michelle noch nie gesehen hatte. Auch wenn diese Erscheinung etwas Erschreckendes hatte in seinen Ausmaßen, sie fand es wunderschön. Wie ein riesiges, ovales Kunstwerk, das jemand mitten auf der Straße errichtet hatte.
    „Es ist ein Tor“, sagte Michelle, obwohl sie es gar nicht wissen konnte. Aber seine Dichte und die Wirbel suggerierten ein Durchdringen. Wenn man nur nah genug heran ging.
    „So was existiert doch nur in Filmen“, sagte Christina.
    „Nicht mehr“, unterbrach sie ihre Freundin.
    „Ist das echt?“
    „Was soll es sonst sein? Jedenfalls können wir beide es sehen.“
    „Scheiße“, sagte Christina, „ich glaube ich drehe durch.“
    Sie überraschte Michelle, indem sie die Tür öffnete und den Wagen verließ. Langsam und bedächtig ging Christina auf den bunten Wirbelsturm zu. Michelle stieg ebenfalls aus, folgte ihr aber nur wenige Schritte. Sie wollte dieser monströsen Erscheinung nicht zu nahe kommen. Um sein gesamtes Antlitz zu sehen, musste sie aufschauen. Wie zu einem Hochhaus. Christina erreichte Es – das Tor, dachte Michelle – in einem leichten Taumel. Sie stand jetzt ganz nah bei ihm, dann drehte sie sich zu ihrer Freundin um.
    „Es ist unbegreiflich“, rief sie Michelle zu, „und so wunderschön.“
    Michelle sah, wie Christina eine Hand ausstreckte und wollte etwas rufen. Tu es nicht, Tini! Du weißt nicht, ob es gefährlich ist! Aber ein innerer Druck verschlug ihr die Sprache. Als würde eine Stimme in ihr sprechen: Lass sie ruhig. Wenn sie es so gerne berühren möchte, dann lasse sie. Vielleicht bist du die nächste.
    Christina streckte ihren Zeigefinger aus und schien die Oberfläche zu berühren, eine Spirale in ihrer Mitte, die sich gerade weiter verfärbte. Und dann vernahm Michelle dieses Flüstern. Erst unverständlich, dann artikuliert. Stirb, sagte es, stirb, stirb, stirb... ohne Unterbrechung und in immer derselben beruhigenden Tonlage, als würde eine Mutter mit ihrem Kind sprechen.
    Christinas Körper durchfuhr ein Zucken. Sie versuchte ihren Arm nach hinten zu ziehen, aber der Finger steckte fest. Michelle ging noch zwei Schritte nach vorne, dann rief sie endlich, laut und erlösend:
    „Lass uns gehen, Tini! Wir müssen deine Eltern finden!“
    Christina schrie auf, als die Farbe aus den Spiralen an ihrem Arm entlang kroch, sich über ihren Brustkorb hinunter zu den Beinen ausbreitete. Als Michelle begriff, dass ihre Freundin langsam

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