Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft
gemeinsame Interessen definierte Gruppen. Die nahezu unbegrenzten Möglichkeiten der interaktiven Internetdienste erleichtern es nicht nur, ehemalige Schulfreunde zu finden, sie können auch dazu verwendet werden, soziale Kontakte zu kartieren und umfangreiche Soziogramme der Nutzer zu erstellen, die sich als Freunde, Bekannte oder Gegner outen. Ebenso bieten die von den Nutzern selbst über sich bereitgestellten vielfältigen Informationen über ihr Privatleben, ihre persönlichen Präferenzen und Eigenheiten eine erstklassige Quelle für Persönlichkeitsprofile, die sich gut vermarkten lassen.
Interaktive Spiele heben die Verselbstständigung des elektronischen Persönlichkeitsbildes auf eine neue Stufe. Millionen Internetnutzer machen von der Möglichkeit Gebrauch, ihr »virtuelles Ich« völlig neu zu definieren. Aber kaum einem Spieler sind die damit verbundenen realen Gefahren bewusst, denn gerade durch sein »Spielverhalten« gibt der Einzelne Informationen über sich preis, die er in der realen Welt anderen nie und nimmer mitteilen würde. Er tut dies in der Annahme, dass seine wahre Identität ja den Mitspielern nicht bekannt wird. Aber kann er sich darauf verlassen? Jeder steuernde Zugriff auf seine virtuelle Spielfigur hinterlässt Spuren, die sich letztlich bis zum Nutzer zurückführen lassen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich staatliche Stellen und auch Unternehmen dafür interessieren werden, was die einzelnen Spieler in den virtuellen Welten denn alles so treiben.
Das Netz vergisst nichts
Über lange Zeit schützte uns das »Recht auf Vergessenwerden« davor, dass wir mit eventuellem Fehlverhalten noch nach langer Zeit konfrontiert werden. Selbst Veröffentlichungen über verurteilte Straftäter sind zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt nur noch mit Einwilligung des Betroffenen zulässig. Zudem dürfen die entsprechenden personenbezogenen Informationen nur in dem jeweiligen Sachzusammenhang verwendet werden.
Dieses Vergessen gibt es heute nicht mehr, zumindest was die veröffentlichten Daten anbelangt. Einmal im Internet veröffentlichte Informationen stehen auf Dauer zur Verfügung, und zwar auch dann, wenn der ursprüngliche Anbieter sie bereits gelöscht hat. Da jeder Nutzer im Netz verfügbare Daten und Webseiten auch auf seinem Computersystem speichern und selbst erneut veröffentlichen kann, hat der ursprüngliche Anbieter faktisch keine Verfügungsgewalt über seine Inhalte. Zudem werden Webangebote häufig auf anderen Systemen »gespiegelt« und können auch dann noch erschlossen werden, wenn das ursprüngliche Angebot gelöscht oder der Zugriff gesperrt wurde.
Eine Reihe kommerzieller Dienstleister und wissenschaftlicher Institutionen archivieren fortlaufend alle möglichen Webangebote. Das 1996 in San Francisco gegründete Internetarchiv ( www.archive.org ) eröffnet mit seinem Angebot »take me back« den Blick zurück auf im Original längst gelöschte Webseiten. Immer leistungsfähigere Suchmaschinen erlauben das Auffinden von Autoren längst vergessener Diskussionsbeiträge in Internetforen, »Newsgroups« und Chatrooms. Sie vernetzen das Wissen von Bibliotheken mit privaten Beiträgen aller Art und erschließen zunehmend auch die lokal auf Festplatten beim Nutzer gespeicherten Daten.
Die Frage drängt sich auf, ob es angesichts der durch das Internet geprägten neuen digitalen Realität noch einen wirksamen Datenschutz geben kann. Technische Mittel, die Privatsphäre im Netz zu gewährleisten, stehen bereits zur Verfügung, etwa Programme zur Datenverschlüsselung, Anonymisierungsdienste und Zahlungsverfahren, bei denen man seine Identität nicht aufdecken muss. Allerdings stehen gerade diese Mittel in der Kritik, weil sie auch von Kriminellen verwendet werden könnten. Das Verbot datenschutzfreundlicher Verfahren wäre aber die falsche Antwort, denn es würde ganz überwiegend die Falschen treffen. Zudem darf nicht vergessen werden, dass viele Menschen wegen der immer umfassenderen Integration elektronischer Kommunikationsmittel in ihren Alltag auch intimste Informationen digital speichern und versenden, die bei einem Verbot der Verschlüsselung völlig ungeschützt blieben.
2.3 Ubiquitous Computing – allgegenwärtige Überwachung?
»Ubiquitous Computing« (UC) – allgegenwärtige Datenverarbeitung – dieser 1991 erfundene Begriff bezeichnet die seitdem wohl dramatischste Veränderung der Informationstechnik. Jederzeitige Verfügbarkeit, zusätzlicher
Weitere Kostenlose Bücher