Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft
Überwachung mittels RFID schützen. Die erste Herausforderung besteht indes darin, den Chip aufzufinden, was angesichts immer kleinerer und flexiblerer Bauformen schwierig ist. Dieses Problem kann technisch gelöst werden, etwa durch Detektoren, die versteckte RFID-Chips aufspüren. In einem zweiten Schritt können Möglichkeiten zur Deaktivierung genutzt werden. Bastler haben zudem Sender entwickelt, welche die Existenz einer Vielzahl von RFID-Chips vortäuschen, um damit die Lesegeräte zu verwirren. Schließlich bieten die elektrischen Eigenschaften der RFID Ansatzpunkte zur Selbsthilfe. Da das Auslesen der Chips aus einem Faraday’schen Käfig, das heißt aus einer Metallummantelung, nicht möglich ist, könnten Taschen mit eingewebten Metallfäden oder Metallhüllen für mit RFID-Chips ausgestattete Dokumente zusätzlichen Schutz bieten.
Die von Daten- und Verbraucherschützern aufgestellten Forderungen nach frühzeitiger Information der Betroffenen und nach Deaktivierbarkeit der Chips werden von der Wirtschaft nicht bestritten. Handel und Industrie bevorzugen ihre Umsetzung durch freiwillige Selbstverpflichtungen und lehnen gesetzliche Vorgaben ab. Die entscheidende Frage ist allerdings, wie die Verbindlichkeit derartiger Selbstverpflichtungserklärungen gewährleistet werden kann, zumal datenschutzrechtliche Sanktionsmechanismen bei Verstößen nicht greifen, soweit keine personenbezogenen Daten verarbeitet werden. Wenn sich die Selbstregulierung nicht als wirksam erweisen sollte, müsste deshalb doch der Gesetzgeber dafür sorgen, dass die Betroffenenrechte beim RFID-Einsatz gewahrt werden. Schließlich müssen sich die »Träger« der Chips, also wir, der mit ihnen verbundenen Überwachungsmöglichkeiten bewusst sein. So könnte man an der Kasse die lästige Frage, ob man eine Kundenkarte habe, mit der Gegenfrage nach dem Vorhandensein von RFID-Chips und den Möglichkeiten ihrer Deaktivierung kontern. Auf die Antworten dürfen wir gespannt sein.
2.4 Peilsender in der Jackentasche
Mobilität, Flexibilität und Individualität gehören zu den Kernbotschaften der Ökonomie des 21. Jahrhunderts. Der mobile Mensch soll dabei jederzeit erreichbar sein, und er will sich auch in fremden Umgebungen zurechtfinden. Damit gewinnt die Lokalisierung, das heißt die Bestimmung des aktuellen Aufenthaltsorts, die durch neue Technologien mit immer größerer Präzision ermöglicht wird, an Bedeutung.
Zunächst erfolgte die Lokalisierung nur deshalb, um die Erreichbarkeit des Mobiltelefons sicherzustellen. Mobilfunknetze setzen sich aus einer Vielzahl von Funkzellen zusammen, deren Durchmesser – abhängig von der Bebauungsdichte und der verwendeten Technik – zwischen einigen hundert Metern und mehreren Kilometern beträgt. Dem Netz muss bekannt sein, in welcher Funkzelle sich ein Gerät befindet, damit eine Verbindung aufgebaut werden kann. Deshalb senden eingeschaltete Mobiltelefone laufend »Aktivmeldungen«. Das Netz speichert die dabei ermittelten Standortdaten an zentraler Stelle. Bei Zustandekommen der Verbindung wird der Standort im Verkehrsdatensatz gespeichert und soll künftig aufgrund der Vorratsspeicherung erst nach einem halben Jahr gelöscht werden (vgl. 3.3).
Vor zwanzig Jahren begannen die USA mit dem Aufbau von GPS (Global Positioning System) zur genauen Positionsbestimmung an jedem beliebigen Ort der Erde. Mit einem Empfangsgerät werden die erreichbaren Satelliten angepeilt, und auf der Grundlage der Signallaufzeiten wird dann der Standort berechnet. GPS und das geplante europäische Galileo-System sind »passive« Systeme, die selbst keine Ortung durch Dritte ermöglichen. Die Positionsdaten werden jeweils zunächst nur von dem abfragenden Empfangsgerät ermittelt. Die Daten können allerdings – etwa mittels Mobilfunk – übermittelt werden und so Dritten zur Kenntnis gelangen. Zukünftig werden viele neue Mobiltelefone mit Ortungsmodulen ausgestattet sein, um damit den Aufenthaltsort des Nutzers festzustellen und die per Satellitenortung ermittelten Standortdaten – etwa bei Notrufen – zu übertragen.
Lokalisierungsmechanismen bilden die Grundlage unterschiedlicher Dienste, sogenannter »Location Based Services« (LBS). Die dabei verwendeten Lokalisierungsdaten können zur Erzeugung von Bewegungsbildern genutzt und mit sonstigen personenbezogenen Angaben zu Profilen über die Nutzer verdichtet werden. Schließlich kann die Ortungstechnik zur heimlichen Überwachung verwendet werden.
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