Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Ende des Himmels: Roman (German Edition)

Das Ende des Himmels: Roman (German Edition)

Titel: Das Ende des Himmels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peadar O´Guilín
Vom Netzwerk:
grünen Lampen erloschen, und darunter schimmerten schwache Schleimspuren an den Wänden. Einige andere Leuchtkörper flackerten, und als Stolperzunge sie sich genauer ansah, bemerkte er, dass sie von schweißähnlichen Tropfen überzogen waren. Der Schleim kam von innen . Als hätte ein widerliches Insekt darin seine Eier abgelegt, die erst jetzt schlüpften.
    Eine Tür am Ende führte in eine weitere Halle, die der ersten in jeder Hinsicht glich, abgesehen von dem Umstand, dass vom Ausgang blaues Licht hereinfiel; eine kalte Brise kühlte ihre Gesichter und ließ ihr Haar flattern. Indrani rannte darauf zu, und ihr Mann folgte ihr im schnellen Humpelgang.
    Dann blieb sie abrupt stehen. »Langsam«, warnte sie ihn.
    Er schirmte seine Augen mit der freien Hand ab. Der Boden führte nur noch knapp zwei Mannslängen weiter. Hinter dem gezackten Metallrand gähnte ein Loch, das erheblich größer war als die in den vorigen Räumen. Stolperzunge konnte hinter einem Durchgang auf der anderen Seite des Abgrunds die Wölbung einer Sphäre erkennen, die in blaues Licht getaucht war.
    Das Loch war viel zu groß, als dass man darüber hätte hinwegspringen können, aber irgendwer hatte es vor nicht allzu langer Zeit getan, denn ein Metallstück, einen halben Arm breit und so lang wie fünf Männer, lag quer über dem Abgrund.
    »Das ist viel sehr großes Glück!«, rief Indrani. »Komm!« Damit lief sie einfach zur anderen Seite hinüber, während die »Brücke« unter ihr wippte und knarrte.
    Stolperzunge wollte ihr folgen, aber er glaubte nicht, dass der Pfad breit genug für ihn und seine primitive Krücke war. Außerdem hätte ein kleiner Ausrutscher genügt, um ihn hinabstürzen zu lassen. Er ging näher an den Rand heran und blickte nach unten. Er keuchte. Alles schien sich um ihn zu drehen. Unterhalb dieses Stockwerks war kein fester Boden zu erkennen, auf dem er hätte landen können. Nur ein tiefer Schacht, der von flackernden grünen Lichtern erhellt wurde, die immer winziger und schwächer wurden, je tiefer es hinabging, bis sie zu einem undeutlichen Schimmern verschwammen.
    »Ich kann keinen Grund sehen«, sagte er.
    »Komm«, forderte Indrani ihn auf. Sie bückte sich und tat, als wollte sie auf allen vieren kriechen. »Mach so. Komm! Du musst gehen schnell.«
    Er nickte. Sein Atem ging viel zu hektisch. »Natürlich«, sagte er und warf die Krücke zu ihr hinüber. Als er sich auf Händen und Knie hinabließ, kam ihm der gähnende Abgrund noch näher. Er wollte die Augen schließen, aber sie gehorchten ihm nicht. Sie schienen von der Tiefe fasziniert zu sein, und er fragte sich unwillkürlich, wie lange man fallen würde, wenn man hinunterstürzte, wie viele grüne Lichter er zählen müsste, bis er den Boden erreichte. Aber vielleicht gab es überhaupt keinen Boden. Was wäre, wenn er einfach immer tiefer stürzte? Wenn er lebend und schreiend irgendwann auf die Felsen der Oberfläche knallte?
    »Schto-pe-sung? Komm!«
    »Ja, ich komme.« Das Metall wippte unter dem Druck seiner Hand. Dann legte er auch die zweite Hand darauf. Schweiß tropfte von seiner Stirn. Jetzt hing sein ganzer Körper über dem Abgrund, und sämtliche Muskeln zitterten, als wäre er einen halben Tag lang gerannt, auf der Flucht vor Panzerrücken, die ihn als Beute jagten.
    Stolperzunge hatte sich bereits auf hohen Gebäuden aufgehalten. Einmal, in der Zeit, als er Indrani noch nicht begegnet war, hatte er überlegt, sich von einem Wachturm zu stürzen, um zu verhindern, dass seine Feinde sein Fleisch nehmen konnten. Der Sturz wäre nur kurz gewesen, und sein Ende wäre schnell gekommen.
    »Schto-pe-sung?«
    »Hetz mich n-nicht.« Er hatte gegen Gelbrachen, Panzerrücken, Wühler, Vierbeiner und Skelette gekämpft. Er hatte einen ganzen Stamm in die Schlacht geführt. Und das alles für die Frau, die jetzt auf der anderen Seite dieser Brücke auf ihn wartete. Er sah, dass sie ihm offenbar entgegenkommen wollte. Das durfte er nicht zulassen.
    »Ich komme«, sagte er zu ihr. Er wandte den Blick von der Tiefe ab und betrachtete stattdessen das hübsche Gesicht, dem er bereits durch so viele Schrecken gefolgt war. Das Gesicht, das ihn vor einem Leben im Schatten eines betrügerischen, eigennützigen Bruders bewahrt hatte. Er lächelte sie an, und sie lächelte voller Liebe zurück.
    Er kroch auf sie zu und gewann mit jedem Schritt mehr Selbstsicherheit. »Die Hälfte«, rief er. Ihr Lächeln wurde noch breiter.
    Plötzlich blinzelte Indrani.

Weitere Kostenlose Bücher