Das Ende des Zufalls - Wie Big Data uns und unser Leben vorhersagbar macht (German Edition)
statistischen Modelle, die angewendet wurden, mit den verfügbaren Datenmengen nicht mehr Schritt halten konnten. Datenmodelle anzuwenden war zwar prinzipiell nichts Neues, aber die Ressourcen, die besonders für das Predictive Modelling, also die Vorhersagemodelle rund um große Datenmengen notwendig waren, überstiegen die Möglichkeiten der meisten Unternehmen. Goldblooms Idee dazu war so simpel wie verwegen: Eine Plattform zu bauen, auf der im Crowdsourcing-Verfahren die besten Mathematiker, Informatiker, Statistiker und Datenwissenschaftler im Wettbewerb spielerisch gegeneinander antreten können, um Rechenmodelle für Prognosen zu konzipieren. Die Auftraggeber, bei Kaggle Hosts genannt: Unternehmen, Forscher und immer öfter auch internationale Organisationen und Regierungen, die aus Big Data möglichst exakte Vorhersagen errechnen wollen, aber sich die dafür notwendigen Fachleute nicht auf ihrer Gehaltsliste leisten können oder wollen.
Trotz seiner Begeisterung dauerte es rund zehn Monate, bis Goldbloom den Plan in die Tat umsetzen und seinen Job bei der australischen Notenbank, zu der er zwischenzeitlich gewechselt war, an den Nagel hängen konnte. In einem kleinen Apartment in Bondi, im Osten von Sydney, konzipierte Goldbloom seine Plattform mit dem Motto: „Wir machen Datenwissenschaft zum Sport.“ Und er wusste, dass die Vorhersagemodelle, die auf Kaggle ausgeschrieben werden, den auftraggebenden Firmen hohe Beträge ersparen beziehungsweise ein wettbewerbsentscheidender Faktor sein können. So war er überzeugt, dass die Firmen, die als Auftraggeber für die gesuchten Rechenmodelle fungieren, auch durchaus bereit sein würden, größere Beträge dafür springen zu lassen. 48
Kaggle startete übrigens mit der Tausend-Dollar-Aufgabe, einen Algorithmus zu entwickeln, mit dem man die Gewinner des Song Contests der Eurovision vorhersagen könne. Die siegreichen Algorithmen errechneten deutlich bessere Vorhersagen über die Rangordnung der Top 10, als das die Wettbörsen konnten.
Jerry trifft Tony
Jeremy Howards Werdegang passte zunächst nicht ganz in das Schema der jungen Internet-Entrepreneure. 1973 in London geboren, übersiedelte er 1976 nach Australien und studierte dort nicht Informatik, Mathematik oder Computerwissenschaften, sondern Philosophie. Auf die Frage, wie er dann zur Datenanalyse gekommen ist, erzählt mir Howard, dass er nach seinem Studium für McKinsey gearbeitet hat und schon dort sah, dass ein rigoroserer Zugang zu Daten und Analysen auch zu besseren Ergebnissen führte. Bei AT Kearny erhielt er Gelegenheit, CIOs auf der ganzen Welt kennenzulernen. Aus dieser Erfahrung heraus baute er zwei Start-ups auf, die Optimal Decisions Group und die Fast Mail.FM. Beide waren sehr daten- und statistikorientiert. 2010 hatte er diese neuen Unternehmen verkauft und begann Chinesisch zu lernen. Bei einem Treffen von Statistik-Nutzern in Melbourne erzählte ihm jemand über Kaggle. Das klang für ihn irgendwie verführerisch und interessant.
Howard beteiligte sich ohne allzu große Erwartungen an den ersten Kaggle-Wettbewerben. „Mein Ziel war es, nicht Letzter zu werden“. Aber schon die erste Aufgabe gewann er: Ein Prognosemodell, bei dem es darum ging, Ankunfts- und Abreisezeiten von Touristen in bestimmten Destinationen vorherzusagen. Als er wieder zu einem der Treffen von Statistik-Nutzern ging, hatte er bereits zwei von drei Bewerben, an denen er teilgenommen hatte, gewonnen. Bei diesem Meeting traf er auch Anthony Goldbloom. „Du bist doch nicht etwa Jeremy Howard“, fragte der Gründer von Kaggle, „wir hatten bis jetzt noch nie jemanden, der zwei von drei Bewerben gewinnen konnte!“ 49
Jeremy Howard war so fasziniert von der Kaggle-Idee, dass er sich Goldbloom als Start-Investor anbot und mit 100.000 Dollar einstieg. Und er mischte auch gleich im operativen Geschäft mit: „Ich sagte Anthony, dass das Portal zu langsam war, setzte mich hin und schrieb das ganze Programm neu.“ 2011 gingen die beiden für zunächst drei Monate in die USA. Dabei sammelten sie für das knapp ein Jahr alte Projekt nicht nur elf Millionen Dollar Kapital, sondern hatten plötzlich wirklich bedeutende Namen als Investoren an Bord – tatsächlich war es eine der eindrucksvollsten Listen, die ein Start-up je gesehen hat, darunter den Fonds der Universität von Stanford, die auch schon mit Google-Aktien ein Vermögen verdient hatte, den Gründer von PayPal, Max Levchin, und den
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