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Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens

Titel: Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiziano Terzani
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leben, im Grunde ein riesiger Friedhof. Ein immens großer Friedhof all dessen, was gewesen ist. Wenn wir anfangen würden zu graben, fänden wir überall zu Staub zerfallene Knochen, die Überreste des Lebens. Kannst du dir vorstellen, wie viele Abermilliarden von Lebewesen auf dieser Erde gestorben sind? Die sind alle da! Wir laufen ständig über einen unendlich großen Friedhof. Das ist seltsam, denn wir stellen uns Friedhöfe immer wie Orte der Trauer vor, Orte des Leidens, der Tränen. Dieser immense Friedhof aber, die Erde, ist wunderschön! Mit all den Blumen, die darauf wachsen, mit all den Ameisen und Elefanten, die darüberlaufen. Er ist die Natur!
    Er lacht.
    Wenn du das so siehst, dass du wieder Teil von all dem wirst, dann ist das, was von dir bleibt, vielleicht dieses unteilbare Leben, diese Kraft, diese Intelligenz, die du mit einem Bart schmücken und Gott nennen kannst, auch wenn sie etwas ist, was unser Denken nicht fassen kann, vielleicht der große Geist, der alles zusammenhält.
    Was ist das, was alles zusammenhält?
    Deshalb gehe ich zu dieser Verabredung - als eine solche empfinde ich das, und ich möchte sie nicht verpassen, denn ich habe mich sozusagen schon festlich dafür gekleidet - unbeschwert und mit einer geradezu journalistischen Neugier. Obwohl ich den Journalismus schon vor Jahren an den Nagel gehängt habe, bezeichne ich meine Neugierde schmunzelnd als „journalistisch“. Aber im Grunde ist es pure menschliche Neugier, die wissen will: „Was ist das eigentlich?“
    Man empfindet sie gewöhnlich, wenn der Vater stirbt. Mein Gefühl damals, das weiß ich noch genau, war, dass nun ich in der ersten Reihe stand. Weißt du, im Krieg hast du immer jemanden vor dir, es gibt eine erste Reihe, wie den vordersten Schützengraben im Ersten Weltkrieg. Und wenn der Vater stirbt, dann steht dort keiner mehr, dann ist man selber dran.
    Tja, und jetzt bin ich dran. Und wenn ich sterbe, wirst du das Gefühl haben, in die erste Reihe aufzurücken.
    Aber jetzt bist du erst einmal gekommen, um meine Hand zu halten, und das gibt uns die Gelegenheit, von der Reise dieses kleinen Jungen zu sprechen, der in einem Bett in der Via Pisana zur Welt gekommen ist, in einem Arbeiterviertel von Florenz, der die großen Geschehnisse seiner Zeit dann hautnah miterlebt hat - den Vietnamkrieg, China, den Zerfall der Sowjetunion -, der sich schließlich in den Himalaja zurückgezogen hat und nun hier ist, in seinem kleinen Himalaja, um seine Stunde zu erwarten, die in meiner Vorstellung etwas Erfreuliches ist.
    Deshalb ist dies das Ende, aber auch der Anfang einer Geschichte, der Geschichte meines Lebens, und ich würde mit dir gern noch ein wenig darüber reden, um gemeinsam darüber nachzudenken, ob alles in allem ein Sinn darin liegt.

KINDHEIT UND JUGEND

    Wir sitzen im Schatten eines großen Ahorns vor dem Haus in Orsigna. Hinter der Wiese fällt das Tal steil zum Fluss ab, und die Wälder jenseits des Flusses beginnen, grün zu werden. Es ist Frühling. Ein frischer Wind weht, und Papa liegt in einem Liegestuhl, mit einer violetten Wollmütze auf dem Kopf und einer indischen Decke um die Beine.
    FOLCO: Also, es kann losgehen. Hast du es bequem? Sekunde, mal sehen, ob der Kassettenrekorder funktioniert.
    TIZIANO: Ist das so laut genug?
    FOLCO: Ja. Hast du eine Vorstellung davon, wie du vorgehen willst?
    TIZIANO: Hm, so ungefähr. Ich möchte dir von meiner Kindheit erzählen, von dieser Mischung verschiedener Dinge, die ich nie in Ruhe schildern konnte. Ich möchte eine Erinnerung an das Leben von damals hinterlassen, weniger für dich als zum Beispiel für deinen Sohn, der keine Ahnung hat, wie meine Generation aufgewachsen ist, was für Beziehungen die Menschen verbanden, wie die Welt aussah, die uns umgab.
    FOLCO: Fangen wir an.
    TIZIANO: Ich bin in einem Arbeiterviertel in Florenz zur Welt gekommen, außerhalb der Stadtmauer. Ich bin zu Hause geboren, wie das damals üblich war. An meine Geburt erinnere ich mich natürlich nicht, aber ein paar Jahre später habe ich die Geburt meines Vetters mitgekriegt, und bei mir lief es sicher ganz ähnlich ab. Zur Entbindung kamen alle Frauen der Familie. Ich stelle mir meine Mutter in ihrem Ehebett vor, in dem sie später auch gestorben ist. Da hat sie mich zur Welt gebracht.
    Alle meine Kindheitserinnerungen sind an das Viertel, in dem ich geboren wurde, gebunden. Es war eine kleine, beschränkte Welt. Stell dir vor, wir wohnten schon praktisch auf dem Land. Die

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