Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens

auf dem Sofa aufzurichten.
    Genug so.
    FOLCO: So?
    SASKIA: Ich glaube, er … er will aufstehen.
    Papa sagt etwas Unverständliches.
    FOLCO: Nein, das Sofa ist ihm unbequem.
    ANGELA: Vielleicht kann er sich an deine Knie lehnen.
    TIZIANO: Nein, genug so.
    FOLCO: Du hast Schmerzen. Das ist das Gute daran, wenn man den Körper verlässt … Der Körper macht irgendwann Probleme, aber wenn man ihn verlässt, sind sie sofort vorbei, nicht? Die Probleme gibt es dann nicht mehr, denn sie sind an den Körper gebunden.
    TIZIANO: Genau.
    FOLCO: Wenn dich innerlich nichts plagt …
    TIZIANO: Ganz genau, Folco.
    FOLCO: Die inneren Plagen, wer weiß, die nimmt man vielleicht sogar mit, irgendwohin. Na ja, das weiß man nicht.
    ANGELA: Was du nicht begriffen hast, begreifst du vielleicht nie. Doch was du begriffen hast, nimmst du mit.
    FOLCO: Während der Körper dich irgendwann … plagt …
    TIZIANO: Gut so. Nun reicht es. Lasst mich ausruhen. Ich würde gern eine Tasse Tee trinken, ganz in Ruhe.
    ANGELA: Den alten schütten wir weg und kochen neuen …
    FOLCO: Und du trinkst ihn ganz in Frieden.
    ANGELA: Also, dann geh ich jetzt Tee machen. Wartest du hier auf mich? Ich bin gleich wieder da.
    Langes Schweigen. Papa atmet mühsam. Wieder ist das Summen der Fliege zu hören.
    FOLCO: Ich müsste mal die Enten suchen, denn vorhin habe ich sie rausgelassen. Da wir heute nicht im Garten sitzen, sind sie bestimmt weggelaufen. Wer weiß, wohin.
    SASKIA: Wo hast du sie denn hingebracht?
    FOLCO: Ich habe sie nur aus dem Stall gelassen, damit sie trocknen können, die Ärmsten. Ein Gewitter wie das von heute Nacht haben sie ja noch nie erlebt. Sie sind bestimmt ganz verschreckt. Also habe ich sie rausgelassen …
    SASKIA: Und wo ist das Kätzchen?
    FOLCO: Nein, die Katze ist da.
    In der Küche pfeift der Kessel. Mama dreht das Feuer aus.
    TIZIANO: Angela. Angela! ANGELA-A-A!
    ANGELA: Ja, der Tee ist gleich fertig. Da bin ich, Tiziano, da bin ich ja, da bin ich ja.
    Mama kommt zurück, setzt sich und massiert ihm die Hände.
    Es hat sich gelohnt zu leben, um das zu begreifen, nicht wahr? TIZIANO: Ich kann nicht mehr.
    Papa flüstert, er kann nicht mehr sprechen.
    ANGELA: Hm? Wollen wir also den Tee trinken?
    TIZIANO: Bringt mich in meine Gompa. Helft mir aufstehen. Ich will zurück in meine Gompa. Schafft ihr das?
    Wir haken ihn auf beiden Seiten unter.
    Sein Körper ist schwer, und es scheint fast unmöglich, dass er die Reise bis hinten in den Garten noch einmal bewältigen kann. Er legt sich aufs Bett.
    Sein Atem kommt und geht, wie der Wind. Kommt und geht.



Die Originalausgabe erschien 2006 unter dem Titel
„La fine è il mio inizio“bei Longanesi & C., Mailand.
Der Text wurde für die deutsche Ausgabe
in Absprache mit Folco Terzani gekürzt.
    Verlagsgruppe Random House
     
    1. Auflage
Taschenbuchausgabe November 2008
Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
    Copyright © 2007 für die deutschsprachige Ausgabe
    by Deutsche Verlags-Anstalt, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Alle Rechte vorbehalten
In Kooperation mit dem SPIEGEL-Verlag, Hamburg
Redaktion: Viktoria von Schirach
in Anlehnung an die Umschlaggestaltung der Hardcoverausgabe
von Stefan Kiefer/DER SPIEGEL und Berndt & Fischer, Berlin
Umschlagfoto vorne: Tiziano Terzani mit seinem Enkel Novalis
(© Massimo Sestini/ Grazia Neri)
Umschlagfoto hinten: Folco und Tiziano Terzani in Orsigna (© Archiv Terzani)
Die Innenteilabbildungen entstammen dem Archiv Terzani,
mit Ausnahme der Fotos auf S. 79 © Giuseppe Pino, S. 283 © Dieter Ludwig,
S. 301 © Massimo Sestini/ Grazia Neri und S. 387 © Vincenzo Cottinelli
KF · Herstellung: Str.
    eISBN : 978-3-641-02350-8
     
    www.goldmann-verlag.de
    www.randomhouse.de