Das Ende
war darauf trainiert zu reagieren. Ich wollte ihn nicht töten. Ich hatte keine Wahl.«
»Ist das deine aufrichtige Überzeugung?«
Shep schüttelte den Kopf. »In diesem Augenblick hätte ich allem ein Ende machen sollen … Mein Leben für den Vater des Jungen. Stattdessen … oh mein Gott!« Der Damm brach, und heftige Zuckungen erschütterten seinen Körper. Seine Qual strömte in die Nacht, die bereits von so viel Verzweiflung erfüllt war.
»Selbstmord ist keine Verwandlung, Patrick. Er ist Blasphemie. « Virgil setzte sich neben Shep und legte ihm einen Arm um die Schulter. »Wann ist diese Sache passiert?«
»Vor acht Jahren und drei Monaten.«
»Und diese Tode quälen dich bis heute?«
»Ja.«
»Dann gibt es eine Art Gerechtigkeit. Doch was noch fehlt, ist Verwandlung.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Du hast mich nach dem Bösen gefragt, du hast mich gefragt, warum Gott zulässt, dass es existiert. Die wichtigere Frage ist jedoch, warum überhaupt irgendetwas existiert. Was ist die wahre Bestimmung des Menschen? Was wäre, wenn ich dir sage, dass alles um uns herum – diese Zufahrt zum Parkway, diese Stadt, dieser Planet –, dass einfach alles, was du als physisches Universum bezeichnest,
nur ein Prozent der Existenz darstellt, die zu einem einzigen Zweck geschaffen wurde – nämlich als Herausforderung?«
»Als Herausforderung für wen? Den Menschen?«
»Der Mensch ist nichts weiter als ein Gefäß, das fehlbar geschaffen wurde.« Virgil zuckte zusammen. »Mein Rücken wird steif. Hilf mir hoch.«
Shep legte seinen rechten Arm um die breite Hüfte des älteren Mannes und half ihm beim Aufstehen. Mit einem Grunzen folgte Virgil der langen, gewundenen Zufahrtsstraße.
»Jedes Lebewesen besitzt eine Seele, Patrick, und jede Seele ist ein Funke vom Licht des Schöpfers. Gottes Licht ist rein und dient nur einem einzigen Zweck – zu geben. Auch die Seele ist rein, und auch sie dient nur einem einzigen Zweck – die unendliche Erfüllung des Lichts zu empfangen. Um das Licht zu empfangen, muss man danach verlangen. Um dem Schöpfer ähnlicher zu sein, trug die Seele Verlangen danach, sich unendliche Erfüllung zu verdienen. Dazu brauchte sie eine Herausforderung. So sieht’s aus.«
»Das ist deine Antwort? So sieht’s aus? «
»Es steckt noch mehr dahinter, und ich werde dir mehr davon erzählen, wenn ich glaube, dass du bereit dazu bist. Im Augenblick musst du vor allem verstehen, dass das menschliche Ego das Streben der Seele nach dem Licht befleckt. Das Ego ist die Abwesenheit von Licht, und diese Abwesenheit führt zu reaktivem Verhalten – Gewalt, Wollust, Gier, Eifersucht. Du hast mir von den Soldaten erzählt, die das Mädchen vergewaltigt haben – das ist ein Beispiel dafür, was passiert, wenn das Licht Gottes von der Seele abgeschnitten wird, wodurch die Kräfte des Bösen Amok laufen können.«
»Du hättest sie sehen sollen. Den Ausdruck ihrer Augen … Diese Wut.«
»Wut ist der gefährlichste Zug des Egos. Durch sie gewinnen die dunkleren Kräfte Macht über einen Menschen. Wie Wollust ist Wut eine animalische Reaktion. Sie kann nur durch selbstlose Handlungen korrigiert werden, die das menschliche Gefäß erweitern, sodass es mehr von Gottes Licht aufnehmen kann.«
»Aber die Menschen, die gesündigt haben … Ist es ihnen nicht verboten, Zugang zum Licht zu finden?«
»Keineswegs. Die Verwandlung ist jedem zugänglich, gleichgültig wie böse seine Taten sind. Im Gegensatz zum Menschen empfindet der Schöpfer bedingungslose Liebe zu allen Seinen Kindern.«
»Langsam, langsam. Hitler kann also einfach so sechs Millionen Juden ermorden – und sobald er um Vergebung bittet, ist alles in Ordnung? Ich bitte dich!«
»Verwandlung hat nichts damit zu tun, dass man um Vergebung bittet, zehn Ave-Maria betet oder fastet. Verwandlung ist ein Akt der Selbstlosigkeit. Für das, was du im Irak getan hast, wirst du in der gehenna dein Urteil finden.«
»Die gehenna ist die Hölle, stimmt’s?«
»Für einige kann sie das sein. Doch vergiss nicht: Jeder Akt der Güte, den du vor deinem letzten Atemzug vollendest, kann dazu beitragen, den Reinigungsprozess auf dem weiteren Weg deiner Seele zu erleichtern. «
»Und wie kann ich mich verwandeln?«
»Zunächst einmal solltest du aufhören, ein Opfer zu sein. Du wurdest nicht dazu geschaffen, um im Elend zu verharren. Indem du dich im Elend wälzt, ziehst du einen Schleier vor das Licht Gottes. Es gibt doch bestimmt
irgendetwas,
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