Das Erbe - Das Tal - Season 2 ; Bd. 2
irgendwann erscheinen und eine Gegenleistung verlangen würde, dass er mich hatte überleben lassen. Heute war dieser Tag. Daran zweifelte ich jetzt nicht länger.
Er hatte Tom geschickt.
Zu behaupten, ich hätte einen Schock, wäre untertrieben gewesen. Dafür fehlten die entsprechenden Symptome wie Atemnot, kalter Schweiß, Zittern. Nein, ich fühlte mich innerlich leer. Als hätte mir Tom mit seinen Worten tatsächlich meine Seele genommen und ein Loch zurückgelassen, ein tiefschwarzes großes Loch, das nun in meiner Brust klaffte.
Es war Größenwahn gewesen, eine Form von Hybris zu denken, ich könnte die Vergangenheit ändern, indem ich Leben rettete. Nie hatte ich daran gedacht, einmal entscheiden zu müssen, wer leben sollte und wer nicht. Selbst wenn Tom nur die Absicht hatte, mich zu quälen, sicher konnte ich nicht sein.
Das las ich auch in den Gesichtern von Superintendent Harper, Mrs Garcia und den anderen im Raum. Jacob hätte vermutlich gesagt, ich hätte echt die Arschkarte gezogen.
Robert hatte sich noch immer nicht gerührt. Eine Hand lag auf Ikes Kopf, der zu ihm hochblickte. Es kam mir vor, als ob die beiden ein Gespräch miteinander führten.
»Ich gehe mit dir dort rein«, sagte er.
»Das tust du nicht.«
»Ich lasse Julia nicht allein.«
Roberts Worte lösten hektische Aktivität aus. Harper winkte die Sicherheitskräfte und Polizisten zu sich, nicht ohne vorher mit dem Zeigefinger auf mich zu zeigen. »Du bewegst dich nicht von der Stelle.«
Es dauerte nur wenige Minuten, in denen sie sich besprachen. Harper stand in der Mitte. Seine Handbewegungen waren klar und entschieden. Aber sie schienen sich nicht einig zu sein. Einige wirkten unschlüssig, fuhren sich mit den Händen durch die Haare. Andere schüttelten entschieden den Kopf. Mrs Garcia hatte an einem PC Platz genommen und eine Sekunde später spuckte der Drucker bereits eine Liste aus, die sie mir reichte. »Das sind alle, die noch in dem Raum sind«, erklärte sie und fügte mit ungewohnter Milde hinzu. »Du bist nicht allein, David.«
Auch sie sprach mich mit dem Vornamen an. Vermutlich ein Versuch, mir klarzumachen, dass wir ein Team bildeten. Was nicht der Fall war. Noch weigerte ich mich, auch nur einen Namen auf der Liste anzusehen. Ich kannte die meisten von ihnen.
»Ich kann das nicht«, sagte ich.
»Ich verspreche dir, der Dreckskerl da drinnen wird niemandem ein Härchen krümmen.« Das war Mrs Garcias Geheimnis. Was ihr an Körpergröße fehlte, machte sie mit ihrem Temperament wett.
Harper kam zu uns zurück. »Wie geht es dir?«
Es war eine rhetorische Frage.
Ich verzichtete auf eine Antwort.
»Wenn du erst einmal drinnen bist, hast du die Sache in der Hand. Du musst dir jeden Schritt und jedes Wort genau überlegen. Du bekommst einen Sender, damit wir hier draußen wissen, was passiert. Außerdem den Schlüssel und den Code, mit dem du die Tür von innen öffnen kannst.«
»Und wenn er mich durchsucht?«
»Gehen wir das Risiko ein. Denk einfach daran: Solange du nicht tot bist, bist du handlungsfähig.«
Seine Stimme war nüchtern, geradezu pragmatisch. Seine Worte klangen in meinen Ohren eiskalt und gnadenlos. Aber sie brachten mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Ausschlaggebend war, was in dem Raum passieren würde. Es war kein reines Glücksspiel, welche Namen ich von der Liste wählte. Ich brauchte in jedem Fall Verbündete. Leute, mit denen ich rechnen, auf die ich mich verlassen konnte.
»Du kannst auf mich zählen«, sagte Robert. »Das bedeutet eine Entscheidung weniger.«
Vermutlich hatte er schon wieder meine Gedanken gelesen. Das war ein Talent, auf das ich vermutlich nicht verzichten sollte. Und es wurde Zeit, Robert nicht mehr so zu behandeln, als gehöre er zu einer Spezies, die unter Naturschutz stand. Er war ebenso erwachsen wie ich.
Julia, Robert – zwei Namen von acht. Blieben noch sechs übrig.
Ich setzte mich an den Schreibtisch und ging die Liste durch. Eine kam nicht infrage. Debbie. Sie war zu hundert Prozent ein Sicherheitsrisiko. Hysterische Reaktionen waren bei ihr an der Tagesordnung. Im Gegensatz zu Katie … und Rose.
Was war mit Chris? Ich traute ihm nicht zu, dass er sich unter Kontrolle hatte. Aber würde er Julia im Stich lassen? Ich konnte es mir nicht vorstellen.
Mit einem Strich löschte ich Isabel Hills Namen. Ihre Mutter war vor ihren Augen gestorben. Ihr konnte man es nicht zumuten, das Ganze noch länger zu ertragen.
Drei weitere Namen.
Langsam
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