Das Erbe - Das Tal - Season 2 ; Bd. 2
fühlte ich wieder Zuversicht. Harper hatte recht. Es ging darum, dass ich die Kontrolle behielt. Vielleicht hatte Tom mir bereits die Seele genommen, aber meinen Verstand würde er nicht bekommen.
Ich war Toms Joker und ich hatte ungefähr eine Vorstellung, warum. Okay, vielleicht war es ein verrückter, ungewohnter Ausbruch von Euphorie, aber, dachte ich, ein Joker war nun einmal eine Gewinn versprechende Karte.
Und, ja, ich hatte Angst, die drei Namen auszusprechen, die mir in die Augen stachen.
Ich tat es dennoch. Nannte drei weitere Namen.
»Ich vertraue ihnen und außerdem«, fügte ich hinzu, »sind es einfach starke Jungs.«
Wir standen im Foyer. Das Feuer im Kamin war erloschen. Und draußen tauchten aus dem Nebel helle Lichtstreifen auf. Ab und zu konnte man sogar die Oberfläche des Lake Mirrors, wenn schon nicht sehen, dann wenigstens erahnen. Ich glaubte nicht an die Sterne. Aber wenn Robert sagte, dieses Tal sei ein Kosmos im Universum, dann wollte ich ihm nur zu gern recht geben. Ein klitzekleiner Streifen blauer Himmel war vielleicht ein Zeichen.
Uns blieb nicht mehr viel Zeit. Die nächsten Minuten vergingen damit, an Roberts Körper einen GSM-Abhörsender anzubringen, der nicht größer als eine Scheckkarte war.
Ich hatte mich gewundert, dass die Polizisten Robert gehen ließen, aber es hatte keine große Diskussion gegeben. Auch das war eine Besonderheit. Niemand diskutierte groß mit Robert. Alle schienen zu ahnen, dass nichts, aber auch gar nichts ihn aufhalten würde, wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte.
Während sich die Polizisten um Robert kümmerten, war ich Harpers Anweisungen und Ratschlägen ausgesetzt. Keiner erwähnte so etwas wie Mut, Furchtlosigkeit oder Heldentum. Nein, Harper dachte, er könne mich programmieren wie einen Roboter.
Ich sollte in jedem Fall ruhig bleiben. Mich nicht provozieren lassen. Tom nicht aus den Augen lassen. Ihn analysieren. War er nervös oder nicht? War er wirklich gewaltbereit? War er bereit zu verhandeln? Zu welchen Bedingungen?
»Und sieh zu, dass du ihn dazu bringst, mit dir zu reden. Er darf keine Zeit haben nachzudenken. Du musst versuchen, Informationen aus ihm herauszulocken, mit denen wir hier etwas anfangen können. Vor allem, was mit dem Sprengstoff ist, den er angeblich bei sich hat«, instruierte er mich. Dann legte er eine kurze Pause ein und fügte mit todernster Miene hinzu: »Und wenn alles nichts hilft, verlass dich auf deinen Instinkt.«
Instinkt?
Was meinte er damit?
In den letzten Minuten fiel es mir schwer, einen Gedanken zu Ende zu bringen, und noch schwerer, die Instruktionen an die vorderste Front meines Bewusstseins zu schicken. Wir standen im Foyer unweit des Kamins und nur die breite Treppe trennte mich von der verschlossenen Tür oben auf der Galerie. Wenn sich diese Tür erst einmal hinter mir schloss, kam es auf grundsätzliche Dinge an. Dass ich nicht aus den Schuhen kippte, mein Frühstück bei mir behielt und – mir hoffentlich nicht in die Hose machte. Ich dachte für einen Moment an Jacob. Wie er geschrien hatte: »Tote kann man nicht mehr hassen.«
»Seid ihr bereit?« Harpers Stimme schnitt den letzten Gedankenfaden einfach ab.
Ich nickte.
Und Robert? Er nestelte an seiner verbogenen Brille herum, schob sie ins Gesicht und sagte schließlich: »Das war’s. Wenn das vorbei ist, lege ich mir Kontaktlinsen zu.«
Dass man in so einem Moment lachen kann. Ich habe keine Ahnung, was das über Menschen aussagt. Aber selbst Harper hatte ein Grinsen im Gesicht. Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, aber ich schwöre, danach fühlte ich mich besser. Das Adrenalin in meinem Körper wirkte wie ein Aufputschmittel.
Harper wählte auf seinem Telefon die Nummer von Chris’ Handy. Mir war klar, dass Tom bis zum letzten Klingeln warten würde, und ich stellte mir vor, wie der Ton dort oben fünfundzwanzig Studenten aus ihrer Apathie aufschreckte.
»Du bist spät dran«, meldete sich Tom. »Schon mal was von einer tickenden Uhr gehört?«
Und ehe ich es begriff, hatte Harper mir das Telefon in die Hand gedrückt. Er wollte mich testen. Ihm kam es darauf an, wie ich im Ernstfall reagierte.
»Die Namen, die bleiben.« Mehr sagte ich nicht.
»Okay.«
»Julia Frost …«
»Verarsch mich nicht!«
»Rose Gardner, Chris Bishop, Katie West, Ethan Thomas, Taylor Bonnes und Nikita Maluki.«
»Das sind nur sieben Namen.«
»Robert. Robert Frost.«
»Ist nicht hier.«
»Er kommt mit mir. Er macht
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