Das Erbe der Drachen Teil 1 - Der brennende Traum
denen, die es können. Die dafür viele Jahre lernen mussten. Für die es eine Wissenschaft ist. Wenn ich noch einmal von dir höre, wenn ich noch einmal erfahre, dass du stiehlst, werde ich dich töten.« Er ließ seine Worte abtropfen, und Tränen traten dem Möchtegerndieb in die Augen. »Und nun gehe.«
» Ja, Herr.«
» Und behalte die Goldkette, Lügner. Vielleicht ist sie dir ein gutes Startkapital in eine bessere Zukunft. Nehme sie und überlege, ob du nicht besser für deinen Unterhalt arbeitest ... soweit es deine Hände noch zulassen.«
Rückwärts dienernd ging der Mann.
»Ich bezahle dein Getränk«, sagte Chargos.
Kostos nickte, glotzte wie ein Fisch, dann drehte er sich um und rannte hinaus.
Chargos lachte leise in sich hinein und setzte sich an den Tisch.
Vielleicht hatte er eine unfähige Seele gerettet, doch es gab unzählige von ihnen in dieser Stadt und überall auf Mittland.
Ein Narrenspiel. Er hatte den Diebstahl gespürt und abgewartet. Und er hatte angewidert die Augen zusammengepresst, als er die ungeschickten Bewegungen, die viel zu lauten Schritte, den zu harten Atem vernahm.
Bei den Göttern, jeder sollte das tun, was er gelernt hatte.
Niemand sollte in fremden Gebieten wildern oder in unbekannten Gewässern fischen.
Noch während er bestohlen wurde, beschloss Chargos, dem Gauner einen Denkzettel zu verpassen. Ihn zu finden, war ein schönes Manöver gewesen, das seine Fertigkeiten stärkte, und es hatte Chargos Spaß gemacht, den Ärmsten zu bessern.
Der Wirt kam zu ihm.
» Krötsch?«, fragte Chargos und zeigte auf den Kessel.
» Jau.«
Niemand verlangte von einem Wirt in Lindoria Höflichkeit. Es genügte, wenn man bekam, was man forderte, und es war ausreichend zu wissen, dass jeder Wirt sein bestes gab, um Qualität zu liefern.
»Eine Portion.«
» Doppelt?«
» Einfach, und ein Bier. Und danach jedes Mal ein neues, wenn ...«
» Weiß schon.« Der Wirt ging.
Eine klare Sache.
Chargos musste nicht lange warten. Er war alleine in der Schenke, denn es war noch früh. Später würde es hier anders aussehen, aber er liebte die Mußestunde.
Der Wirt brachte eine Schüssel mit Krö tsch-Schlonz, ein weiteres Bier und machte sich davon.
Chargos rieb sich die brennenden Augen. Ganz offensichtlich war der Rauchfang defekt, aber auch das war nicht ungewöhnlich. Solange etwas halbwegs funktionierte, wurde es genutzt.
Er lächelte, aß mit Genuss, trank aus und lehnte sich zurück, während ihm wortlos ein neues Glas mit Bier hingestellt wurde.
Er schloss die Augen und erinnerte sich.
So, wie er sich oft erinnerte.
Sich erinnern musste , um bei klarem Verstand zu bleiben.
Das erste Mal stahl Chargos L’olkien etwas, als er vierzehn Jahre alt war. Er stahl einer Magd aus dem Nachbardorf die Unschuld. Es war eine dieser Liebesgeschichten, die harmlos begannen und im Heu endeten. Hinterher blickte sie ihn verliebt an und schenkte ihm ihr Halstuch. Ein blaues Tuch, fadenscheinig und weich. Stolz schlang er es um seinen Hals, küsste sie und schwor, es nie wieder abzulegen.
Oh, sie waren so glücklich.
Kein Hahn hätte danach gekräht, denn sie waren trotz ihrer Körperlichkeit unschuldig und suchend. Dann geschah etwas, dass man kaum noch ausübte, aber dennoch hin und wieder praktizierte.
Die Magd, Mirra, war von ihrem Vater einem älteren Mann mit Geld versprochen worden, da man sonst einer bittere Zukunft voller Armut entgegen sah. Wie es üblich war, wurde Mirra befragt, ob sie noch rein sei, denn das forderte der Mann mit Geld. Die Entjungferte schwor Stein auf Bein, Jungfrau zu sein. Sie tat es nicht, um den Ohrfeigen ihrer Mutter und dem Zorn ihres Vaters zu entkommen, sondern weil sie es glaubte.
Auch das hätte genügen können, doch erneut kam es anders.
Überraschend wurde Chargos vor den Ältestenrat gezerrt, und man wollte wissen, ob er sich an dem Mädchen vergangen hatte. Dass sie erst dreizehn war, interessierte nicht.
Chargos, ein heller Junge, fragte: »Was sagt Mirra dazu?«
» Sie sagt, sie sei Jungfrau«, sagte einer der Ältesten.
» Na und?«, fragte Chargos. »Dann ist doch alles klar.«
Mirras Vater stand auf und blickte in die Runde »Gestern erfuhr ich, dass man hat euch beide gesehen hat. Man hat gesehen, wie du sie genommen hast. Man hat deinen nackten Arsch gesehen, der über ihr war. Man hat ihre Lustschreie gehört. Die Büsche waren nicht dicht genug, denn es war Herbst.«
» Glaubt Ihr Eurer Tochter so wenig?«,
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