Das Erbe des Atoms
Er erzählte dem Jungen Geschichten von Großtaten und viele von den Märchen, die zu der Zeit bekannt waren. Er gab ihm zuerst sorgfältig aufgearbeitete, aber mit der Zeit immer genauere Interpretationen der politischen Situation des Palasts. Und wieder und wieder bestand er mit Nachdruck darauf, daß es etwas anderes und Besonderes und Wichtiges sei, als ein Mutant geboren zu sein. Jeder könne als gewöhnlicher Mensch geboren werden, aber nur wenige würden von den Göttern des Atoms ausgewählt. Joquin wußte, daß es gefährlich war, daß Ego eines Linn so aufzubauen, daß er sich selbst den menschlichen Mitgliedern seiner Sippe überlegen fühlte.
»Aber«, erklärte er eines Tages dem Oberherrn, »wenn er älter wird, wird er früh genug auf seine Grenzen stoßen. Jetzt kommt es darauf an, daß sein Verstand und sein Selbstbewußtsein stark genug werden, den vulgären Spötteleien und Anfeindungen der anderen Jungen zu widerstehen. Er stammelt und stottert noch immer wie ein Idiot, wenn er sich zu verteidigen sucht, aber wenn er nicht überrascht wird, weiß er sich zu beherrschen, indem er schweigt. Ich wünschte«, endete Joquin, »daß Ihr ihn gelegentlich besuchen und so an Euch gewöhnen würdet.«
Es war eine oft wiederholte Bitte, die ihm immer abgeschlagen wurde. Die Verweigerungen bekümmerten Joquin, der inzwischen fast achtzig Jahre alt war. Er durchlebte viele Momente der Beklommenheit, wenn er darüber nachdachte, was nach seinem Tod aus dem Jungen werden sollte. Und um sicherzustellen, daß der Verlust für das Kind kein katastrophaler Rückschlag sein würde, begann er, sich der Unterstützung berühmter Gelehrter, Dichter und Historiker zu versichern. Diese fand er durch Überredung und führte sie nach und nach als bezahlte Tutoren des Jungen ein. Er beobachtete jeden Mann mit einer Wachsamkeit, die rasch diejenigen eliminierte, die in irgendeiner Weise zeigten, daß sie die Bedeutung dessen, was versucht wurde, nicht zu würdigen wußten.
Die Erziehung und Ausbildung des Jungen wurde so zu einer kostspieligen Angelegenheit, denn weder die Zuwendungen des Oberherrn, seines Großvaters, oder von Prinz Creg, seinem Vater, reichten aus, die bedeutenden Männer zu bezahlen, deren Dienste Joquin in Anspruch nahm. Als der alte Mann kurz vor Clanes elftem Geburtstag starb, reichte sein Nachlaß an Bargeld kaum hin, die Fortsetzung des Unterrichts zu gewährleisten.
Er hinterließ zehn Millionen Sesterzen, die an verschiedene Tempel gingen. Fünf Millionen Sesterzen vermachte er persönlichen Freunden. Zwei weitere Millionen gingen an bestimmte Historiker und Dichter, damit sie begonnene Bücher vollendeten, und schließlich gab es fünf Großneffen, von denen jeder eine Million Sesterzen erhielt.
Damit waren die flüssigen Mittel fast ganz verteilt. Knappe fünfhunderttausend Sesterzen blieben für die Instandhaltung und den Betrieb des großen Landgutes, das Joquin gehörte, bis die nächste Ernte verkauft werden konnte. Da dieses Landgut zusammen mit tausend Sklaven nach Joquins letztem Willen an Clane fiel, gab es eine kurze Zeitspanne, wo der neue Besitzer, ohne es selbst zu wissen, am Rand des Bankrotts stand.
Die Situation wurde dem Oberherrn gemeldet, und er stellte ein Darlehen aus seiner Privatschatulle zur Verfügung, um den Besitz zusammenzuhalten und über die Durststrecke zu bringen. Nachdem er dies getan hatte, begann der alte Herrscher seinen Enkel zu vergessen. Und erst zwei Jahre später, als er den Jungen eines Morgens unter dem Fenster seines Arbeitszimmers vorbeigehen sah, wurde er neugierig.
Am gleichen Nachmittag machte er sich auf den Weg zum Felsenrefugium im Park, um den seltsamen Jungen zu sprechen.
6.
Als er den Fuß des Felsens erreichte, schnaufte er bereits, was ihn erschreckte. Bei den Göttern, dachte er, ich werde alt. Er war vierundsechzig.
Der Schock nahm noch zu. Vierundsechzig. Er blickte an sich herab. Die Beine eines alten Mannes, dachte er, vielleicht nicht so wacklig wie die anderer Vierundsechzigjähriger, aber es stand außer Frage, daß er die besten Jahre seines Lebens hinter sich hatte. Creg hatte recht, dachte er verwundert. Für mich ist wirklich die Zeit gekommen, mich zurückzuziehen. Nach dem Marsfeldzug keine Kriege mehr, es sei denn in der Defensive. Aber das Thema war im Moment zu groß, und der Gedanke an den Erben erinnerte ihn, wo er sich befand. Einer seiner Enkel war mit einem Tutor dort oben. Er konnte den murmelnden
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