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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Kinder mit. Kinder kann ich hier nicht gebrauchen, wenn die mir Middlemere wegnehmen wollen.« Ein bißchen später sagte ihre Mutter: »Wo ist dieses verwünschte Kind?« Und Jem antwortete: »Romy ist in die Schule gegangen.«
    Dann wurde die Tür zugeschlagen, und eine Zeitlang war es wunderbar still. Romy aß den Apfel, den sie heimlich aus dem Korb auf dem Küchenbüfett genommen hatte, und beschloß, den ganzen Tag im Schrank zu bleiben. Das war sowieso besser als Schule, schon gleich an einem Freitag. Freitags hatten die Mädchen Handarbeiten, und Romy haßte Handarbeiten. Rechnen war ihr tausendmal lieber, als Schürzen zu nähen und Socken zu stricken. Zahlen hatten so etwas Klares, Scharfes, Zuverlässiges: Man mußte nur die Regeln begreifen, dann stimmte es jedesmal. Bei der Handarbeit hingegen konnte sie sich Mühe geben, soviel sie wollte, die Schürzen und die Socken waren früher oder später stets nur noch ein formloser verhedderter Wust.
    Gerade begann sie, Mut zu fassen und zu glauben, die Welt wäre wieder ins Lot gekommen, als der Krach losging. Das plötzliche Klopfen und Hämmern brachte mit einem Schlag das ungute Gefühl des frühen Morgens zurück. Angespannt lauschend hörte sie, wie ihr Vater Türen abschloß und verriegelte. Dann vernahm sie ein neues Geräusch, lautes Knarren und Kratzen, und erkannte, daß ihr Vater irgendein schweres Möbelstück über den Küchenboden schob. Sie öffnete die Schranktür einen Spalt und sah hinaus. In der Ferne konnte sie das Brummen eines Autos hören, das den holprigen Fahrweg nach Middlemere heraufkam. Dann hörte sie ihren Vater die Treppe hinauflaufen. Hastig zog sie die Schranktür wieder zu.
    Das Auto hielt vor dem Haus an. Es wurde mit Fäusten an die Haustür getrommelt und laut gerufen, aber ihr Vater blieb im oberen Flur. Die hartgefrorene Erde knirschte unter den Stiefeln der Besucher, als diese um das Haus herum nach hinten gingen. Romy hörte Männerstimmen. Laute, aufgebrachte Stimmen. Das war der Moment, in dem ihr Vater das Gewehr aus dem Schrank nahm.
    Romy hatte nicht oft Angst. Sie graulte sich nicht vor Spinnen wie Annie Paynter, und sie fürchtete sich nicht vor Gespenstern wie Jem. Sie hatte nicht einmal Angst gehabt, als das deutsche Flugzeug den Inkpen Hill bombardiert und sie die grellen Feuergarben auf dem Hügelkamm gesehen hatte, auf dem Combe Gibbet, der Galgen, stand.
    Sie drückte ihr Auge an das Loch in der Tür. Ihr Vater hielt das Gewehr unter dem Arm und war dabei, das Flurfenster aufzumachen. Eisige Luft wehte ins Haus. Romy fröstelte von neuem. Jetzt, wo das Fenster offen war, konnte sie ausmachen, was die Leute draußen riefen. Von der Kälte und dem Nebel gedämpft, stiegen die Stimmen aus dem Garten auf.
    »Kommen Sie raus, Mr. Cole. Schluß jetzt mit dem Unsinn!«
    »Sam, jetzt hör doch, es hilft nichts.«
    »Ihr nehmt mir mein Haus nicht weg!« Ihr Vater beugte sich zum Fenster hinaus und schrie in den Garten hinunter. »Ihr nehmt mir Middlemere nicht weg.«
    »Der Ausschuß ist berechtigt –«
    Der Gewehrlauf schlug knallend auf das Fensterbrett. »Er ist zu nichts berechtigt. Zu gar nichts. Verschwinden Sie von meinem Grund und Boden, Mark Paynter.«
    Mark Paynter war Annie Paynters Vater. Nach der Geschichte mit Annie und der Pferdetränke war er nach Middlemere gekommen, ein kleiner, dicker Mann mit einem pausbäckigen Gesicht und dünnem braunem Haar, durch das man den rosigen Schimmer der Kopfhaut sehen konnte. Er hatte einen Anzug angehabt und glänzend gewichste Schuhe. Romy fiel wieder ein, wie er im schlammigen Hof gerutscht und geschlingert war, das Gesicht hochrot vor Wut und Verlegenheit.
    Jetzt hörte er sich gar nicht verlegen an. Eher herrisch, dachte Romy, so bestimmerisch wie die großen Mädchen in der Schule. Als würde es ihm Spaß machen, ihrem Vater Befehle zu erteilen.
    Mr. Paynter sagte: »Seien Sie kein Narr, Cole.«
    »Runter von meinem Grund und Boden!« brüllte ihr Vater.
    »Das ist nicht mehr Ihr Grund und Boden«, sagte Mr. Paynter. »Das Land gehört jetzt dem Kreiskriegsausschuß für Land- und Forstwirtschaft. Hören Sie also auf, Schwierigkeiten zu machen, und tun Sie, was Ihnen gesagt wird. Sie haben alle Chancen gehabt. Wir warten nicht mehr.«
    »Tu das Gewehr weg, Sam«, rief der andere Mann. »Du machst alles nur noch schlimmer!«
    Romys Vater feuerte aus beiden Läufen. Das Krachen der Detonationen brach sich an den Hügelhängen, und Krähen flogen krächzend

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