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Das Erbe des Zauberers

Das Erbe des Zauberers

Titel: Das Erbe des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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als Oma Wetterwachs nach ihrem Arm griff.
    »Hab keine Angst, Mädchen! Ich bin’s, die alte Granny.«
    Das Bündel blieb liegen.
    Granny biß sich auf die Lippen. Sie wußte nicht so recht, wie man mit Kindern umging. Wenn die Hexe an sie dachte – was sehr selten geschah –, stellte sie sich Lebewesen vor, die irgendwo zwischen Tieren und normalen Menschen angesiedelt waren. Säuglinge verstand sie recht gut: Man schüttete Milch ins eine Ende und hielt das andere möglichst sauber. Erwachsene waren noch problemloser, da sie sich selbst ums Essen und Reinigen kümmerten. Doch dazwischen erstreckte sich eine Welt der Erfahrung, der Granny mit Unbehagen begegnete. Ihrer Meinung nach betraf die Erziehung von Kindern in erster Linie folgendes: Man versuchte, die schlimmsten Gefahren von ihnen fernzuhalten, und hoffte, daß letztendlich alles gut ausging.
    Granny war einerseits ratlos – und andererseits ganz sicher, daß sie irgend etwas unternehmen mußte.
    Kühn beschloß sie, alles auf eine Karte zu setzen.
    »Heiapoppeia, haben die bösen-bösen Brummwölfe mein kleines süßes Schätzilein so erschreckt?«
    Das schien seltsamerweise die gewünschte Wirkung zu erzielen – wenn auch aus völlig anderen Gründen, als Granny vermutete. Irgendwo unter der zusammengekrümmten Gestalt ertönte eine gedämpfte Stimme. »Ich bin acht, verstehst du!«
    »Wer acht Jahre alt ist, rollt sich nicht mitten in der Nacht im Schnee zusammen«, wandte Granny ein und unternahm erste vorsichtige Gehversuche auf dem verbalen Glatteis der Konversation zwischen Erwachsenen und Kindern.
    Das Bündel antwortete nicht.
    »Ich glaube, zu Hause habe ich Milch und Kekse«, fügte Oma Wetterwachs versuchsweise hinzu.
    Diese Worte riefen keinen sichtbaren Effekt hervor.
    »Eskarina Schmied, wenn du weiterhin stur bleibst, gibt’s eine Tracht Prügel.«
    Esk hob zögernd den Kopf.
    »Du mußt mir nicht gleich drohen!«, sagte sie vorwurfsvoll.
    Als der Schmied das Haus der Hexe erreichte, waren Granny und Esk gerade eingetroffen. Die Jungen spähten argwöhnisch hinter ihrem Vater hervor.
    »Ähem«, machte Gordo und überlegte, wie man mit einer Person sprach, die eigentlich tot sein sollte. »Cern und Gulta sagten mir, du …äh, dir ginge es nicht gut.«
    Er drehte sich um und sah seine Söhne finster an.
    »Ich habe mich nur ausgeruht und bin dabei eingedöst. Ich schlafe ziemlich tief und fest.«
    »Tja«, erwiderte der Schmied unsicher. »Äh, nun gut. Was ist mit Esk?«
    »Sie ist ein wenig erschrocken«, sagte Granny und drückte die Hand des Mädchens. »Schatten und Schemen und so. Sie ist noch immer ein bißchen durcheinander und braucht einen warmen Platz. Ich wollte sie in mein Bett legen, wenn du nichts dagegen hast …«
    Gordo hätte seine Tochter lieber nach Hause gebracht, erinnerte sich jedoch daran, daß Esks Mutter, wie alle Frauen im Dorf, die alte Hexe sehr schätzte und sogar in Ehrfurcht von ihr sprach. Wenn er jetzt Einwände erhob, erwartete ihn zu Hause sicher ein Donnerwetter.
    »In Ordnung«, entgegnete er. »Kein Problem. Was hältst du davon, wenn ich Eskarina morgen früh abholen lasse?«
    »Einverstanden«, sagte Granny. »Nun, ich würde dich gern in mein bescheidenes Heim einladen, aber leider muß ich erst noch das Feuer im Kamin entzünden und einige andere Dinge erledigen …«
    »Oh, mach dir nur keine Umstände!«, erwiderte Vater Schmied hastig. »Wenn ich nicht rasch zurückkehre, wird das Abendessen kalt. Beziehungsweise trocken«, fügte er hinzu und sah auf Gulta hinab, der den Mund aufklappte, es sich aber noch rechtzeitig genug anders überlegte und schwieg.
    Als der Schmied mit seinen Söhnen gegangen war und die Proteste der beiden Jungen in der Nacht verhallten, öffnete Granny die Tür, zog Esk ins Haus und schob den dicken Riegel vor. Sie wandte sich ihrem Vorrat an Kerzen zu, den sie auf dem Regal über der Garderobe hortete, und kurz darauf brannten zwei kleine Flammen. Dann holte sie einige alte, aber immer noch recht nützliche Decken aus einer Truhe (der Stoff roch nach Kräutern, die Motten vertreiben sollten), hüllte Esk in den abgescheuerten Stoff und forderte sie auf, im Schaukelstuhl Platz zu nehmen.
    Mit leisem Ächzen und Stöhnen ließ sich Oma Wetterwachs auf die Knie sinken und begann damit, ein Feuer zu entzünden. Es war ein ziemlich komplizierter Vorgang, bei dem Granny unter anderem getrockneten Zunderpilz, Holzspäne und dünne Zweige verwendete. Außerdem schienen

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