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Das Erbe

Das Erbe

Titel: Das Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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ungerecht. Er ist der Gute. Ich der Böse. Er wird Medizin studieren und Menschenleben retten. Ich bin das Monster.«
    »Jaco!«, rief ich in mein Handy. »Warum …?«
    Aber mein Bruder hatte aufgelegt. Die zehn Minuten waren vorbei.

29. Im Zeichen des Tals
    Die Temperaturen lagen bei minus drei Grad und dennoch war die Sonne Anfang April bereits so kräftig, dass der Schnee weich und matschig war, als sie auf der Straße nach Fields nach links in den Wald bogen. Rose ging in Tim Yellads Spuren und überlegte, ob es nicht doch besser gewesen wäre, sich irgendwo im College zu treffen. Aber ihnen allen war klar, dass sie dort keinen Ort finden würden, an dem sie wirklich alleine waren. Das Gebäude hatte Augen. Und damit meinte sie nicht nur die neue Videoüberwachung, die nach den Ereignissen installiert worden war.
    Nur eine Maßnahme unter vielen, die dazu dienen sollten, das College zum sichersten Ort der Welt zu machen. Drinnen gab es keine Spindschränke mehr, nur offene Fächer, damit niemand etwas verstecken konnte. Sie alle trugen Ausweiskarten um den Hals, als ob das einen neuen Amoklauf oder eine Geiselnahme verhindern konnte. Alle Türen und Fenster waren mit einer neuen Schließtechnik versehen worden, die ausschließlich über die Security aktiviert und deaktiviert werden konnte.
    In Roses Augen war das alles Humbug, nur dazu gedacht, ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Aber es gab keine Garantie. So etwas konnte immer wieder passieren. Gerade hier oben. Es schien, als hätte Dave Yellad recht gehabt. Er hatte in sein Tagebuch geschrieben, dieser Ort hier sei der einzige, der einen glauben ließe, dass der Mensch den Tod überwinden kann, wenn er bereit ist, die eigene Seele dafür zu opfern.
    War es das, was mit Tom geschehen war? Hatte er seine Seele aufgegeben, um den Tod herauszufordern?
    Hinter ihr ging Benjamin. Sie konnte hören, wie schwer er atmete. Und das lag nicht nur daran, dass er seine ganze Kameraausrüstung mitschleppte. Es hatte Wochen gedauert, bis sie und David ihn überreden konnten, sich wieder ihrer Gruppe anzuschließen. Ben konnte einfach nicht begreifen, wie er hatte übersehen können, was mit Tom los war. Er hätte es merken müssen.
    Stephen King, David Lynch, Quentin Tarantino und immer wieder Francis Ford Coppola.
    Die Meister des Horrors, der Gewalt und des Psychothrillers – Tom schien sich die Wochen vor seiner Tat keine anderen Filme angesehen zu haben. Er hatte eigene Kurzgeschichten geschrieben, die man auf seinem Computer entdeckt hatte, bis er Fiktion und Realität nicht mehr auseinanderhalten konnte. So zumindest die offizielle Erklärung. Die Wahrheit war eine andere. Aber auch Rose und die anderen kannten sie nicht. Es gab zu viele Ungereimtheiten, zu viele offene Enden. Und sie war überzeugt davon, Tom selbst hatte bis zum Schluss nicht wirklich begriffen, warum das alles geschah.
    Fest stand nur, dass Benjamin seinem Freund nie die Geheimnisse verraten hatte, die sie einander anvertraut hatten. Er hatte ihm weder von Julias Geschichte erzählt noch von Roses Tochter Sally. Und die Art und Weise, wie Benjamin das beteuert hatte, war mehr als überzeugend gewesen. Rose und die anderen glaubten ihm.
    Die Gruppe kam zum Stehen. Hier im Schatten unter den Bäumen kroch die Kälte von den Zehen bis hoch in die Haarspitzen. Rose deponierte ihre Umhängetasche auf einer Bank, die fast völlig im Schnee versunken war, streifte die dicken Handschuhe ab und nahm die Thermoskanne mit Tee heraus.
    »Noch jemand?«
    »Ich.«
    Die Erste, die sich in die Reihe stellte, war Debbie. Rose goss heißen Tee in den Becher und reichte ihn ihr. In ihrem orangefarbenen Daunenmantel, der bis zu den Knöcheln reichte, erinnerte sie an einen Müllmann. Aber sogar Katie war der Meinung, dass es besser war, Debbie mitzunehmen. Ihr entging sowieso nichts und die Wahrheit war allemal besser als die Halbwahrheiten, die Deb verbreiten würde.
    Sie sah sich in der Runde um, aber alle konzentrierten sich auf Robert, der eine Mappe aus seinem Rucksack zog.
    David wurde so weiß wie der Schnee um sie herum und sah in seinem schwarzen Outfit aus wie ein Gespenst. Er war der Einzige, der schwer akzeptieren konnte, dass sie die Briefe hatten.
    »Wir können sie nicht der Polizei übergeben«, sagte Robert. »Sie würden deinen Bruder in die Sache verwickeln und er hat nichts damit zu tun. Aber das ist nicht der eigentliche Grund. Was würden sie damit anfangen? Sie würden versuchen, ein

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