Das Maerchen der 1001. Nacht
1. KAPITEL
Alina Bethia Farrah war ein durch und durch wahrheitsliebender Mensch. Und genau aus dem Grund glich ihr Innenleben momentan einer Achterbahn der Gefühle. Sie hasste es, sich zu verstellen, und verabscheute sich für das, was sie vorhatte. Aber ihr blieb keine andere Wahl. Schließlich hatte sie ihrer Zwillingsschwester Adina versprochen, für kurze Zeit die Rollen zu tauschen und sich an Adinas Stelle mit Malik Hourani, dem Kronprinzen von Bha’Khar, zu treffen.
Noch nie hatte sie ihrer Schwester eine Bitte abgeschlagen. Adina war der einzige Mensch, auf den Beth sich verlassen konnte und der sie liebte.
Doch als sie jetzt in der überaus prunkvollen Suite des Palastes saß und darauf wartete, den Prinzen kennenzulernen, wurde ihr bewusst, wie ungeheuerlich ihr Vorhaben war. Während sie ihre Koffer betrachtete, die auf dem wunderschönen Marmorfußboden aufgereiht waren, war ihr völlig klar, dass die Entscheidung falsch war, die sie aus sicherer Entfernung in ihrem Apartment in Los Angeles getroffen hatte.
Adina wollte den Scheich nicht heiraten, zumindest noch nicht. Sie brauchte noch etwas Zeit, um sich darüber klar zu werden, was sie wirklich wollte. Deshalb war Beth hier in Bha’Khar und gab sich für ihre Schwester aus.
Addie war genau zwei Minuten vor Beth zur Welt gekom men, und ihr Vater, der Botschafter seines Landes in den Vereinigten Staaten, hatte mit dem König von Bha’Khar vereinbart, dass seine erstgeborene Tochter eines Tages den Kronprinzen heiraten sollte. Addie war jedoch hin- und hergerissen und konnte sich nicht entscheiden, ob sie sich ihrem Vater, den sie sehr liebte, widersetzen oder einen Mann heiraten sollte, den sie gar nicht kannte. Beide Möglichkeiten machten ihr Angst, und dass sie vor Kurzem einen Mann kennengelernt hatte, den sie sehr gernhatte, kam erschwerend hinzu und machte alles noch komplizierter.
Seit ihrer Volljährigkeit vor einigen Jahren hoffte sie, der Scheich hätte die Vereinbarung vergessen oder ignoriere sie. Doch vor wenigen Wochen war er darauf zurückgekommen und hatte sie gebeten, nach Bha’Khar zu kommen, um die Hochzeit vorzubereiten. Völlig hilflos und ratlos hatte sie Beth angefleht, ihr zu helfen und die Sache für sie zu regeln.
Beth war eine sehr lebhafte, kontaktfreudige und ausgesprochen ehrliche junge Frau. Schon als Kind hatte sie sich oft für ihre zurückhaltende und introvertierte Zwillingsschwester ausgegeben, um sie zu behüten und zu beschützen, wenn diese etwas angestellt und Angst vor der Strafe hatte. Doch jetzt ging es um etwas sehr viel Wichtigeres, und es konnte schwerwiegende Folgen haben, wenn der Schwindel aufflog.
Obwohl Beth Lügen verabscheute, musste sie ihrer Schwester in dieser schwierigen Situation helfen. Der Scheich war ein mächtiger, einflussreicher Mann, und sie konnte sich gut vorstellen, dass er nach seinen eigenen Regeln lebte und auf nichts und niemanden Rücksicht nahm. Während ihres Studiums war Beth mit einem Kommilitonen befreundet gewesen, den sie sehr gerngehabt hatte. Er stammte aus einer einflussreichen Politikerfamilie und hatte schließlich eine junge Frau aus einer befreundeten Familie geheiratet, weil er sich davon Vorteile versprach. Auch er hatte geglaubt, sich alles erlauben zu können, und Beth nach seiner Hochzeit vorgeschlagen, seine Geliebte zu werden. Natürlich hatte sie das Ansinnen empört zurückgewiesen. Um ihrer Schwester eine ähnlich schmerzliche Erfahrung zu ersparen, wollte Beth ihr helfen. Außerdem hielt sie nichts von einer arrangierten Ehe. Sie war der Meinung, Eltern hätten nicht das Recht, ihren Kindern vorzuschreiben, wen sie heiraten sollten.
Beth stand auf und sah sich in der Suite um. Das lichtdurchflutete Wohnzimmer war sehr geräumig und luxuriös eingerichtet. Interessiert betrachtete sie die vielen Kunstgegenstände, die wertvollen Gemälde und die Figuren aus Glas. Breite, hohe Türen führten auf den Balkon, von dem man einen herrlichen Blick auf das Arabische Meer hatte. Als sie eine der Türen weit öffnete, spürte sie, wie die leichte Brise, die an diesem sonnigen Tag im Juli vom Meer her wehte, ihre erhitzten Wangen kühlte.
Ja, ich schaffe es, mich für Addie auszugeben. Meine Schwester und ich sind uns zum Verwechseln ähnlich, nicht einmal unser Vater kann uns auseinanderhalten, überlegte Beth. Es war sicher nicht schwierig, einen Mann zu täuschen, dem weder sie noch ihre Schwester jemals vorgestellt worden waren.
Als es klopfte,
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