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Das Erbe

Das Erbe

Titel: Das Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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schließen. Sie liefern uns Daten über Wege, Größenverhältnisse, berechnen Flächen. Sie beschreiben den Raum, das Universum, öffnen andere Dimensionen. Aber eines können sie nicht.«
    Rose schaute in die Runde. In den Gesichtern spiegelte sich Faszination ebenso wie Desorientierung. Aber Robert schaffte es, sie alle in seinen Bann zu ziehen.
    »Sie nehmen uns keine Entscheidungen ab.«
    Stille. Von den Ästen der Bäume rieselte der Schnee auf sie herab. Ein seltsamer Zauber lag in der Luft.
    »Aber geht es nicht genau darum? Bei allem, was wir in der Zeit am Grace erlebt haben, ging es immer um Entscheidungen. Darum, das Richtige zu tun. Nicht in Bezug auf Logik, rationale Schlüssigkeit. Nein, darum, was das Beste ist für jeden von uns und für die Gemeinschaft.«
    Robert äußerte dies alles mit einer Leidenschaft, die jeglichen Kommentar verbot.
    »Katie, damals, als du dein Leben aufs Spiel gesetzt hast, um Ana Cree zu retten. Woran hast du da gedacht?«
    Katie zuckte mit den Schultern.
    »Hast du etwa deine Chancen ausgerechnet? Fifty-fifty? Nein. Deine Motivation war eine völlig andere. Für dich zählte nur das Leben eines Menschen.«
    »Für mich, ja, aber für andere nicht.« Katie richtete ihren strengen Blick auf Chris, der mit den Schultern zuckte.
    »Das spielt keine Rolle. Nur, dass du deine Entscheidung nicht nach den Regeln der Statistik getroffen hast.
    Auch David und ich mussten im März wählen. Nutzen wir die Chance und gehen zurück ins Labyrinth oder versuchen wir, euch zu retten? Ich könnte euch noch andere Beispiele aufzählen.«
    Rose dachte wieder an David, der sich Mrs Jones in den Weg gestellt hatte, um ihr Leben zu retten. Sie spürte die Faszination, die von Roberts Worten ausging, geradezu körperlich.
    »Nur Menschen können solche Entscheidungen treffen«, erklärte Robert. »Das unterscheidet uns von Tieren, die ihren Instinkten folgen. Und der wichtigste Instinkt ist nun einmal zu überleben.«
    »Schon klar«, erklärte Chris. »Unsere Spezies ist echt cool, aber das ist nichts Neues.«
    »Moment. Jetzt kommen wir zu uns.«
    Robert grinste von einem Ohr zum anderen, etwas, das nur alle Schaltjahre vorkam. »Ist euch denn nicht klar, was hier oben im Tal mit uns passiert? Wir müssen nicht Entscheidungen treffen, weil es der Zufall will. Der Zufall wäre berechenbar.« Er schüttelte den Kopf. »Nein. Es geht um eine grundlegende Frage, die mit Instinkt nichts zu tun hat. Das ist es, wenn wir davon reden, dass das Tal uns herausfordert.«
    Allmählich begriff Rose, worauf Robert hinauswollte.
    All die Zeit in den letzten zwei Jahren hatten sie sich blenden lassen – von der Tatsache, dass außer Ike keine Tiere im Tal existierten, von den merkwürdigen Wetterumschwüngen, von den Naturschauspielen, von dem Rätsel um die verschwundenen Studenten. Schließlich sogar Robert von der unvollendeten Formel.
    Dabei hatten sie eins übersehen. Dass es immer nur um eines ging. Darum, zu handeln wie ein Mensch im besten Sinne dieses Wortes. Darum, das Richtige zu tun. Unterscheiden zu können zwischen Gut und Böse.
    Robert schaute in die Runde. »Was ich sagen will: Jacob hat nicht diese Briefe geschrieben. Und auch nicht das Tal. Nein, das war ein Mensch.«
    Der Gedanke hatte die ganzen Wochen über in der Luft geschwebt, aber niemand hatte ihn ausgesprochen. Fast, als ob es einfacher wäre, dem Zufall, dem Tal, der Natur die Schuld in die Schuhe zu schieben.
    Jedes Geräusch verstummte. Und Rose würde Roberts Worte nie vergessen. Sie würden sie begleiten. Bis die beiden Fragen, die er stellte, beantwortet waren:
    »Aber wer? Wer steckt hinter dem Tal? Und warum tut er uns das an? Erst wenn wir das wissen, werden wir frei sein.«

Epilog
    Im Zeichen des Rades
    Der Mond spiegelte sich auf der Wasserfläche des Lake Mirrors und erhellte den Saal unter der Glaskuppel auf natürliche Weise. Es war die schönste Zeit hier unten. Er legte den Stein vor sich auf den Tisch, den er aus dem Gestein des Ghost gelöst hatte. Die Fläche war so glatt geschliffen wie Marmor. Er begann, mit dem Messer das letzte Zeichen einzuritzen. Das Rad mit den acht Speichen, die Himmelsrichtungen anzeigten. Er kannte bereits den Ort, an dem er ihn niederlegen würde.
    Die Welt war ein Rätsel. Die Erde nur ein Abbild seiner Macht im Universum. Er meißelte mit dem Messer die Linie der Tagundnachtgleiche in den Stein. Der Tag, an dem die Sonne auf ihrer Bahn am Himmel den Äquator von Süden nach Norden

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