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Das Erlkönig-Manöver

Das Erlkönig-Manöver

Titel: Das Erlkönig-Manöver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
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seinen ohnehin schon zu süßen Tee.
    »Sie kennen sich seit jungen Jahren bestens aus im besetzten Mainz«, sagte der Herzog, »und besser noch, seitdem wir die Stadt damals belagerten. Stellen Sie eine Truppe von guten Männern zusammen, brechen Sie unverzüglich nach Mainz auf, und befreien Sie den Dauphin, bevor ihn Madame de Rambaud identifizieren kann und bevor ihm der Kaiser auch nur ein Haar krümmt.«
    »Ich?«
    »Ich wüsste keinen, dem ich diesen bedeutsamen Auftrag lieber anvertraute.«
    »Sie scherzen, Durchlaucht. Ich bin nicht der Mann, dem Sie das Schicksal Frankreichs und Europens in die Hände legen wollen. Warum kümmern sich statt meiner nicht die Onkel des Dauphins, der Comte de Provence und der Comte d’Artois, um ihren Neffen?«
    Sophie Botta seufzte. »Weil sie ichsüchtige Feiglinge sind, die selbst darauf hoffen, eines Tages König zu werden, und deshalb gar nicht wollen, dass der Dauphin ihnen den Platz auf dem Thron nimmt.«
    »Und was ist mit den Emigrierten? Ganz Deutschland wimmelt doch von geflohenen Anhängern der Bourbo nen, denen es ein Herzensanliegen wäre, ihr Zinnober für den jungen König zu spendieren.«
    »Ganz richtig. Aber alle, die unter ihnen für diese Kampagne in Frage kämen, werden auf Schritt und Tritt beobachtet. Ihr Engagement würde Louis nur in Gefahr bringen. Fouché hat ein dichtes Netz von Spitzeln unter den Emigrés und ihren deutschen Gastgebern aufgebaut.« Sie führte einen Finger an die dunkelgrüne Seide vor ihrem Gesicht. »Nur deshalb trage ich diesen verwünschten Schleier, der mir das Leben verleidet: Weil ich nicht einmal in diesen gastlichen Hallen fernab von Paris riskieren kann, dass man meine wahre Identität erkennt – so unbedeutend sie auch sein mag. Ich erinnere abermals an den Duc d’Enghien: Napoleons Fänge reichen bereits weit über die Grenzen Frankreichs hinaus. Wäre dem nicht so, Herr Geheimrat, bei Gott, ich säße längst in ei ner Kutsche auf dem Weg nach Mainz.«
    Goethe erwiderte nichts, und weil auch die anderen Anwesenden schwiegen, war es mit einem Mal still im Audienzsaal. Das Feuer prasselte im Kamin, und im Magen des holländischen Diplomaten blubberte der Tee. Voigt öffnete den Mund, aber es kam kein Wort heraus. Vermutlich war der Minister dankbar, dass er nicht mit auf diese prekäre Reise geschickt werden sollte, und kein Kommentar seinerseits sollte dies aufs Spiel setzen. Stattdessen betrachtete er das Gemälde, das hinter Sir William an der Wand hing, als hätte er ein bislang unentdecktes Detail in der dargestellten Jagdszene bemerkt.
    Schließlich erhob sich Carl August. »Gestatten Sie, dass ich mit dem Geheimrat ein Wort im Separee wechsle.«
    Goethe verabschiedete sich mit einem Nicken von den Gästen und folgte dem Herzog in den benachbarten Raum.
    »Mir brummt der Schädel«, sagte Goethe. »Eine zwote Flasche hätte nicht mehr Schaden anrichten können als diese unfassbare Darstellung.«
    »Gestern getrunken?«
    »Auch das. Hätte ich gewusst, dass ich heute Napole on stürzen soll, wäre ich gestern gewiss früher zu Bett gegangen.« Goethe trat ans Fenster und sah hinaus auf die Kegelbrücke über der Ilm. In der Eisdecke des Flusses war eine lächerlich kleine Lücke geblieben, kaum drei Schritt im Quadrat, in der nun, wie es schien, sämtliche Schwäne Weimars versammelt waren und durch fortwährendes Strampeln und Paddeln zu verhindern suchten, dass das Eis auch ihren letzten Wasserbesitz einschloss. Goethe wäre heute gern noch etwas Schlittschuh gelaufen.
    »Du zögerst. Warum? Bewunderst du Napoleon?«
    »Nun – ein Kerl, den alle Menschen hassen, der muss was sein. Was Shakespeare in der Poesie, Mozart in der Musik, das ist eben jener in seiner ungleich hässlicheren Kunst. – Aber dass ich ihn bewundere, heißt nicht, dass ich mich scheue, ihn zu bekämpfen. Man kann auch seine Feinde bewundern.«
    »Dann, mein Freund, bitte ich dich mit aller Hingabe, die ich aufbringen kann: Bekämpfe diesen Feind. Geh nach Mainz, und rette den wahren König von Frankreich.«
    »Höre, Carl, das ist kein Kinderspiel. Du könntest mich ebenso gut bitten, in der Hölle Rachen hinabzusteigen und eine verlorene Seele zu retten. Und Mainz! Ausgerechnet Mainz!«
    »Immerhin haben wir uns in Mainz kennengelernt, al ter Kerl.«
    Goethe wandte sich vom Fenster ab. »Wer ist die Französin? Sophie Botta ist nicht ihr richtiger Name.«
    »Nein. Aber ich kenne ihre wahre Identität und sage nur so viel darüber: Sie

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