Das erste Mal und immer wieder
Gott und die Welt, gelangweilt und angeödet von allem, was sich mir näherte. Aber wir beide wollten uns auch gar nicht unterhalten, wir waren jung. Wir waren neugierig, und wir wollten »es« machen.
Mit genug Anläufen klappte es auch irgendwann, doch konnte ich meine Enttäuschung kaum verbergen. Das war es? Einen schwitzenden, sich windenden Typen, kaum mehr ansprechbar, zuckend und hoppelnd auf meinem Körper rumrutschend, stöhnend, verkrampft, seine Finger festgekrallt in meinen Schultern, die Augen zugekniffen, so lange, bis der Körper aus seiner Starre erschöpft in eine schlaffe, weiche Haltung fiel und schwer auf mir lag. Meist lag ich dann da, die Augen auf den Himmel gerichtet, fing ich an, die Sterne zu zählen, starrte den Mond an und hatte oft das Gefühl, er lachte mich aus mit seinen schwarzen Flecken, die jeder schon mal als Augen und Mund erkannt hat.
»War es für dich auch schön?« – »Natürlich, Thomas, was sonst?« – »Gut, dann lass uns los, wird langsam kalt hier. Hier, ein Tempo.« Er zog ein Taschentuch aus seiner halb heruntergelassenen Jeans, schob es zwischen meine Beine und wischte mir den Schleim fort, sorgfältig darauf bedacht, seine Jacke nicht zu beflecken. Dann zog er mir die Jacke unter dem nackten Hintern weg. Die Heimfahrt war meist schweigsam, ich lag auf dem Mofa wie ein geringelter Wurm, zwischen Lenkrad und Fahrersitz, die Füße um die Stange des Sattels geschlungen. An der Haustür gab es meist einen Kuss und eine neue Verabredung für den nächsten Tag, die nächste stille Ecke im Feld.
Ich hatte beschlossen, mit vielen kleinen glücklichen Zuständen genauso zufrieden zu sein wie mit dem großen Glück. Ich begann zu glauben, dass ich selbst doch was für mich tun konnte, doch die Wahl hatte. Das sollte nicht mein einziger Irrtum bleiben. Ich lebte nun wieder »integriert« in meiner Familie, entspannte mich und lief dem nächsten Angriff schutzlos in die Arme.
Irgendwann konnte ich keine Motivation mehr finden, Thomas zu treffen. Ich bin einfach nicht mehr hingegangen. Er hat mich nie gefragt, wieso. Er hat sich schnell mit einer anderen getröstet, die Mädchen standen Schlange bei ihm. Später hat er die Jugendliebe meines Bruders geheiratet. Das Sprichwort »Des einen Leid ist des anderen Freud« traf jedoch nicht zu. Die Ehe scheiterte, und ich habe keine Ahnung, was aus ihnen geworden ist. Nur das Kinderbettchen ihrer Tochter stand am selben Platz wie einst das meine. Sie hatten das Haus in der Berggasse 5 gekauft, mein früheres Elternhaus.
Außer dem krummen Penis von Thomas hatte ich sonst keine Erfahrungen mit der Liebe oder gar mit Sex. Ich konzentrierte mich nun aufs Reiten, war Dauergast auf dem Reiterhof im Dorf und verbrachte sehr viel Zeit mit der Tochter des Hauses. Heike. Sie war einige Jahre älter als ich, erfahrener und ein richtig toller Kumpel. Im Stillen bewunderte ich ihren Mut und ihre Kraft, die sie täglich aufs Neue bewies. Sie liebte die Pferde und hatte sich ihre eigene heile Immenhofwelt aufgebaut. Sie hätte nirgendwo anders sein wollen. In ihrer Gegenwart verschwanden auch die letzten Schatten in meinem Kopf, immer öfter konnte ich ruhig und tief schlafen. Als dann »Lady« geboren wurde, eine Lipizzanerstute, stolperte sie eines Tages von der Weide in den Stall hinein, geradewegs auf mich zu. Ich fegte gerade die Gänge aus, als sie auf mich zuwankte, unsicher die Nüstern hob und am Besen und an meiner Hand schnupperte. Es war warm und feucht. Ihre Nüstern blähten sich und sie stand da und rieb ihren kleinen Kopf an mir. Dieses feuchte Gefühl habe ich lange nicht vergessen.
»So ist es, manchmal suchen sich die Pferde ihre Pfleger selber aus.« Heike grinste mich an. Von diesem Moment an war Lady alles, was ich noch wollte. Ich bestürmte meine Mutter, mir das Pferd zu kaufen, wusste ich doch, dass sich täglich ein fremder Käufer finden konnte. Leider waren unsere finanziellen Mittel absolut nicht ausreichend, meine Mutter war schon schwer gezeichnet vom Krebs. So verbrachte ich jede freie Minute bei meiner »neuen Freundin«. Ich pflegte sie, bis sie glänzte, und sie war in meinen Augen das schönste Pferd im Stall. Ihr Fell war kurz und glatt wie Seide, und ihre Mähne war wellig und fein gekämmt.
Sie hatte immer piekfein geteerte Hufe und war schlank und stolz. Ich liebte sie, und wann immer mich noch diese bohrenden Kopfschmerzen befielen, verschwanden sie im Stall von allein. Viele Nächte habe ich bei
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