Das erste Mal und immer wieder
Lady in ihrer Box gelegen, manchmal geweint vor Angst, sie zu verlieren. Hundertmal habe ich mich verzweifelt in ihr schönes, wunderbar riechendes Fell gekrallt.
Dann wurde Lady doch verkauft, und ich ging nicht mehr zum Stall zurück. An dem Tag, als sie abgeholt wurde, stand sie in einem Anhänger und fuhr direkt an mir vorbei. Ich versteckte mich im Buswartehäuschen. Ich hatte etwas verloren und wurde wieder wütend auf alles um mich herum. Sie wieherte laut, als sie aus dem Dorf gefahren wurde, und obwohl sie mich ganz sicher nicht sehen konnte, so war es für mich persönlich, als verabschiedete sie sich. Ein Abschied auch von den schönen, glücklichen Momenten, die ich bis dahin mühsam gesammelt hatte. Diese waren fürs Erste vorbei.
Ich wollte weiterwandern auf dieser schier endlosen Mitte-Straße, bis zu dem Punkt, an dem ich mein Leben in meine Hände würde nehmen können. Lange konnte das ja nicht mehr dauern. Ungeduldig fügte ich mich in den Rahmen, der mir blieb.
Mein angeheirateter Cousin, etliche Jahre älter als ich, griff sich dann auf einer Silvesterparty das, worauf er schon lange scharf war.
Ich war, wie wir alle, die feierten, völlig betrunken, der Alkohol absolut ungewohnt für mich. Die Musik, die küssenden Pärchen um mich herum ließen mich neidisch und unsicher werden.
Ich wurde sentimental und fragte mich, wieso ich keinerlei Lust auf Nähe verspürte, wieso mir »anfassen« und »nett sein« zu viel war.
Meine Reaktionen auf die verschiedenen Annäherungsversuche, die ich in den Monaten nach Thomas erlebt hatte, waren meist schroff und unfreundlich ausgefallen. Ich sah immer gern sexy aus und kleidete mich am liebsten in Minirock und hochhackige Schuhe. Ich genoss es, ein Blickfang zu sein, und forderte es eigentlich heraus, angesprochen zu werden. Aber es kam mir nie wirklich in den Sinn, einen dieser Dorfdummköpfe an mich heranzulassen. Sie alle waren ein, zwei Jahre älter als ich, und ich fand sie kindisch und einfach doof.
Natürlich hatte Thomas sich mit seinen Erfolgsgeschichten nicht zurückgehalten, und so wurde ich allgemein als willig und leicht zu haben eingestuft. Aber mir war das egal, sollten doch alle denken, was sie wollten!
Obwohl in dieser Nacht ein starkes Gewitter hereingebrochen war, stürmten alle hinaus auf die Straße zum Silvesterfeuerwerk. Sie grölten und johlten, denn es war üblich, an Silvester Feuerwerkskörper in allen Briefkästen der Nachbarschaft zu verteilen und sie mit lautem Knall hochgehen zu lassen. Mir aber machten Gewitter genauso Angst wie diese Knallfrösche, ich konnte diese Art Geräusche nie gut ertragen, und so war ich auch wegen des Unwetters oben geblieben. Zudem war mir schlecht vom ersten Alkoholgenuss meines Lebens, ich befürchtete, mich übergeben zu müssen, und wollte dies auf keinen Fall vor Zeugen tun. In dieser folgenschweren Nacht, als ich allein und wehrlos war, fiel Marco über mich her. Er war groß und stark und nahm sich mühelos, was er wollte. Ich strampelte und kreischte, aber niemand hörte mich. Als die Falle zuschnappte, erkannte ich in seinen Augen sofort, dass Reden oder Flehen keinen Sinn hatte.
Er zog mich an sich, begrabschte mich und kniff in meine Beine, meine Arme und auch in meine Wangen. »Da stehst du drauf, oder?« – »Ich weiß es doch vom kleinen Thomas.« – »Dreh mal nicht durch, Kleine, du willst es doch auch.« So und ähnlich redete er auf mich ein.
»Nein, nein!«, rief ich und dachte die ganze Zeit: »O nein, bitte nicht.« Ich wurde hysterisch und schlug und trat um mich, soweit mir das in meinem alkoholisierten Zustand noch möglich war. Als ich den brennenden Schmerz an meiner Schulter spürte, wusste ich überhaupt nicht, was passiert war. Vor Schreck sackte ich zusammen. Ich konnte kaum atmen, so weh tat es. Marco hatte seine angerauchte Zigarre auf meiner Schulter ausgedrückt. Den Stummel schmiss er nun hinter mich. Er zog mich hoch und presste seinen Mund auf meinen, bohrte seine Zunge in meine Mundhöhle. Ich würgte. Aber er hielt mit der einen Hand meine Hände hinter meinem Rücken fest wie in einer Zange, mit der anderen zerrte er an seiner Hose. In einer einzigen Bewegung drehte er mich so, dass ich gebückt mit dem Rücken zu ihm stand. Ich war mir sicher, dass er mir die Arme brechen würde.
Vor Entsetzen, Schmerzen und Angst bekam ich keine Luft mehr. Ich stand still da und flennte vor mich hin. Der Rotz lief mir aus der Nase, meine Augen brannten von der
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