Das Erwachen des Dunkeltraeumers
Nachthimmel. Um mich herum war …«
… das Meer. Es war ganz ruhig. Nur eine leichte Brise strich Antilius durchs dunkelbraune Haar, das in dieser Nacht vor fast sieben Jahren länger war, als er es heute trug. Er stieg einen felsigen Pfad empor.
Der Pfad war schmal und steil. Er gehörte zu einem kleinen schwarzen Felsen, einem von über vier Dutzend, die vor der Küste von Bétha aus dem Wasser ragten. Das Felsgestein war brüchig und scharfkantig, weswegen diese Felsengruppe auch Die Splitternden genannt wurde.
Ohne sich nach links oder rechts zu drehen, ja ohne sich überhaupt darüber bewusst zu sein, dass Antilius die Spitze des Felsens erklomm, setzte er einen Fuß vor den anderen. Er war noch nicht wirklich dort auf diesem Felsen. Physisch schon, aber er fühlte sich noch wie in einem Traum, alles um ihn herum kam ihm nicht real vor; er fühlte sich dieser Realität nicht zugehörig. Anders konnte er seinen Zustand im Nachhinein nicht besser beschreiben.
Aber allmählich, Schritt für Schritt, wurde die Welt um ihn herum wirklicher. Der Salzgeschmack wurde realer. Die Brise, die sein Gesicht und sein Haar berührte, drängte ihn langsam in diese Realität zurück.
Ehe er auf den Gedanken kam, sich zu fragen, was er hier eigentlich zu suchen hatte, geschweige denn, wie er überhaupt hierher gekommen war, sah er am Ende des Pfades auf einem kleinen Plateau an der Spitze des Felsens ein kleines Lagerfeuer brennen.
Antilius blieb stehen und betrachtete es mit großen faszinierten Augen.
Langsam verringerte er die Distanz zwischen sich und den Flammen. Er hatte das Plateau zweihundert Meter über dem Meeresspiegel fast erreicht, als er eine Gestalt mit einer Kapuze über dem Kopf bemerkte, die hinter dem Feuer saß und dem dunklen Meer zugewandt war.
Nach einem kurzen Zögern stellte sich Antilius an das Lagerfeuer und fühlte die (reale) Wärme auf seiner Haut, die es abstrahlte.
Die Gestalt auf der anderen Seite des Feuers regte sich nicht.
Antilius’ Blick wanderte vom Feuer zu der Gestalt, wieder zurück und wieder zur Gestalt. Eine Menge von Fragen begann sich in seinem Kopf zu sammeln.
»Wie geht es dir?«, fragte die Gestalt plötzlich, ohne sich zu bewegen und sich dem Meer abzuwenden. Die Stimme gehörte einer Frau. Antilius
Antilius bekam ein dumpfes Gefühl in der Magengegend. »Wo bin ich hier?«, fragte er.
»Wir sind vor der Küste von Bétha. Erinnerst du dich an diesen Namen?«
»Ja.« Bétha war die Vierte Inselwelt auf Thalantia. Daran konnte er sich deutlich erinnern.
»Wie heißen die anderen Inseln?«
Antilius antwortete mit einer Gegenfrage: »Wieso wollen Sie das von mir wissen? Wer sind Sie eigent…«
»Es ist wichtig, was du weißt und was du vergessen hast«, fiel ihm die Frauenstimme ins Wort. »Also, erinnerst du dich an die Namen der Sieben-Inselwelten? Wenn ja, dann nenne mir die Namen der anderen sechs!«
Antilius musste einen Augenblick überlegen. Er war sich zwar sicher, dass er die Namen im Schlaf kannte (jedes Kind konnte die Namen im Schlaf aufzählen!), dennoch fiel es ihm schwer, sich an sie zu erinnern. Weil er noch nicht ganz hier war. Er war noch nicht völlig real . Sein Gedächtnis war noch nicht richtig real.
»Die erste Inselwelt heißt … Arbrit, die zweite Brigg«, murmelte Antilius und spürte Erleichterung darüber, dass ihm die Namen doch wieder einfielen. »Dann kommt Panthea, Bétha und Truchten. Nummer sechs und sieben heißen Fahros und Finfin.«
Die Kapuzengestalt hörte aufmerksam zu. Nachdem Antilius alle Namen korrekt aufgezählt hatte, senkte sie den Kopf und amtete schwer ein und wieder aus. Antilius kam es so vor als wäre sie nicht zufrieden mit seiner Antwort.
»Wie heißt du?« fragte sie ihn schließlich. Dieses Mal war sie jedoch sichtlich interessierter an der Antwort, denn sie drehte sich halb zu Antilius um, so dass er aber immer noch nicht ihr Gesicht zu sehen bekam.
Jemand fragt einen, wie man heißt, und man nennt seinen Namen. Was war daran so schwer? Antilius machte wie aus einem Reflex den Mund auf und … schloss ihn dann wieder. Er hatte sich an alle Namen der Inselwelten erinnern können. Doch an seinen eigenen Namen nicht. Auf seinem Weg nach oben zum Plateau kamen ihm viele Fragen in den Sinn, doch die wichtigste von allen hatte er verdrängt. Wie war sein Name? Wer war er?
Antilius huschte ein gehetzt wirkendes Lächeln der Verlegenheit übers Gesicht und dann bekam er Panik. Sich nicht daran zu erinnern,
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