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Das ewige Leben

Das ewige Leben

Titel: Das ewige Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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Schädelhälfte und dem Verband hätte er sich an einem normalen Tag vielleicht doch geniert. Und eine gewisse Rolle hat es bestimmt auch gespielt, dass sie damals ihren Ausflug auch am Faschingsdienstag gemacht haben, quasi heikles Datum, weil der Saarinen den Aschermittwoch ja dann nicht mehr erlebt hat.
    Wie er zum ersten Mal seit fast zwei Monaten wieder auf der Straße war, sehr eigenartiges Gefühl für den Brenner. Er ist sich vorgekommen wie ein Außerirdischer oder wie der einzige Überlebende nach einem Atomfasching. Puntigam vollkommen ausgestorben, weil alle beim Umzug in der Innenstadt. So hat der Brenner den Umzug auf seinem Weg ins Schwarzenegger-Stadion nur indirekt mitgekriegt, als Leere.
    Taxi natürlich keine Chance, jetzt hat er sich zu Fuß auf den Weg gemacht, schön langsam, so ist es gegangen. Und so weit ist das Schwarzenegger-Stadion ja nicht entfernt vom Freud-Spital, weil da haben die Stadtplaner ganz richtig gesagt, alle Leute, die sich nicht benehmen können, auf eine Stadtseite, jetzt hat man in Graz Stadion und Nervenklinik und Zentralfriedhof ein bisschen in den Süden getan, sprich Puntigam und Liebenau, die sollen sich das untereinander ausmachen. Für die Innenstadt war das günstig und für den Brenner auch günstig, weil jetzt war er wenigstens schon auf der richtigen Stadtseite.
    Im Grunde genommen nur über die Mur hinüber. Und in einer ausgestorbenen Stadt geht es sich ja viel leichter. Nach ein paar Minuten hat der Brenner auch seine gekrümmte Haltung aufgegeben, weil ihm ist auf einmal aufgefallen, es regnet ja gar nicht. Er war nur so nass, weil er schon wieder so wahnsinnig geschwitzt hat.
    Dass es so was gibt, da verlässt einer nach zwei Monaten zum ersten Mal ein Krankenhaus, und möchte man meinen, er hält den Lärm fast nicht aus, und jetzt war es umgekehrt. Er hat die Stille fast nicht ausgehalten. Dabei war es in der Klinik auch immer sehr still, da darfst du dir nicht vorstellen, dass die Irren durch die Gegend brüllen. Weil die Medikamente.
    Jetzt ist dem Brenner vorgekommen, die ganze Stadt hat ein Medikament bekommen, so ein stiller Hauch ist über den Straßen gelegen. Möchte man glauben, Fasching lautes Fest, aber das stimmt nicht. Fasching leises Fest, weil wenn du auf der falschen Stadtseite bist, lautes Fest immer leise. Von diesem Fasching ist eine Stille ausgegangen, unglaublich. Dem Brenner ist vorgekommen, er hat beim Davonstehlen aus der Klinik die Kliniktür zu lange offen gelassen und den Hauch mit in die Stadt hinausgenommen.
    Jetzt warum hat er derartig geschwitzt? Zuerst einmal rein körperlich. Und dann natürlich die Todesangst. Weil ein Polizeifahrzeug hat ihn überholt, und wenn dir die Kripo einmal eine Kugel in den Kopf geschossen hat, dann kriegst du bei jedem Polizeifahrzeug Todesangst, das ist ganz normal.
    Aber interessant. Obwohl die Polizisten sich gar nicht um ihn gekümmert haben, hat er dann, wie das Auto längst an ihm vorbei war, immer noch die Schweißausbrüche gehabt. Weil der Auspuff hat ihn wieder an die Walther vom Grazer Kripochef erinnert. Nach dem Polizeiwagen hat der Brenner sich auf einmal viel schwächer gefühlt.
    Jetzt hat er erst richtig bemerkt, was für ein Wahnsinn der Gewaltmarsch in seinem Zustand war.
    Der Weg von Puntigam links zum Stadion hat sich so gezogen, dass der Brenner ein paarmal nahe am Aufgeben war. Das erste Mal wollte er schon beim Zentralfriedhof aufgeben, weil natürlich ansteckend, wenn so viele Leute faul herumliegen, und da hätte er sich wahnsinnig gern dazugelegt. Und auf dem Puchsteg war er dann so müde, dass er eineinhalb Stunden stehen geblieben ist und der Mur beim Fließen zugeschaut hat.
    Es hat ihm gefallen, dass die Mur nicht mehr so dreckig war wie zu seiner Zeit, wo die Selbstmörder eine Zeit lang gar nicht mehr gesprungen sind, weil schon das Hinschauen genügt hat. Und jetzt das Hinschauen sogar eher heilsam, der Brenner hat es regelrecht gefühlt, wie das Wasser ihm langsam die Kraft zurückgibt, und ohne dass er es bemerkt hat, ist er auf dem Puchsteg ein bisschen mit dem Köck ins Gespräch gekommen.
    »Wenn du mir nicht hilfst, bist du als nächster dran«, hat der Brenner auf dem Puchsteg geübt. Das ist ihm als das allerbeste Argument erschienen, sprich Drohung, weil der Köck war so ein Charakter, der hätte dir nie einfach so geholfen. Ich weiß auch nicht, es gibt so Menschen, manche helfen dir auch einmal einfach so, von sich aus, und andere würden das wieder

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