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So bitterkalt

So bitterkalt

Titel: So bitterkalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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    Â»Achtet auf unsere spielenden Kinder!«, liest Jan durch das Seitenfenster des Taxis. Der Text ist auf ein blaues Plastikschild gemalt, und darunter steht die Ermahnung: LANGSAM FAHREN.
    Â»Verdammte Kinder!«, ruft der Fahrer.
    Jan fällt nach vorn. Das Taxi ist um eine Ecke gebogen und musste abrupt vor einem Dreirad bremsen, das ein Kind mitten auf der Straße hat stehen lassen.
    Die Straße liegt in einem Wohnviertel mit Einfamilienhäusern in der Stadt Valla. Jan sieht niedrige Holzzäune vor weißen Steinhäusern und dann das große Warnschild.
    Achtet auf unsere spielenden Kinder . Doch obwohl da ein Dreirad steht, sind die Straßen leer. Hier gibt es keine Kinder, auf die man achten könnte.
    Vielleicht sind sie alle in den Häusern, denkt Jan. Eingesperrt .
    Der Fahrer, der mit seiner zerfurchten Stirn, dem weißen Weihnachtsmannbart und einem müden Blick aussieht, als stünde er kurz vor der Rente, mustert ihn im Rückspiegel. Jan ist diese müden Blicke gewohnt, die gibt es überall.
    Bis zu der Vollbremsung und dem Fluch hat der Fahrer so gut wie nichts gesagt, doch als er wieder anfährt, stellt er plötzlich eine Frage: »Sankt Patricia ... arbeiten Sie da oben?«
    Jan schüttelt den Kopf. »Nein, noch nicht.«
    Â»Aha. Wollen Sie sich bewerben?«
    Â»Ja.«
    Â»Ach so«, erwidert der Fahrer.
    Jan sagt nichts weiter, sondern senkt den Blick. Er will nicht zu viel von sich erzählen, und er weiß nicht, was er über das Krankenhaus sagen darf.
    Der Fahrer plaudert weiter: »Sie wissen sicher, dass es noch einen anderen Namen für das Haus gibt, oder?«
    Jan blickt wieder auf. »Nein. Welchen denn?«
    Der Fahrer lächelt ein wenig über sein Lenkrad hinweg.
    Â»Das erzählen die Ihnen da oben bestimmt selbst.«
    Jan sieht zur Seite, auf die Reihen der Einfamilienhäuser, und denkt an den Mann, den er bald treffen wird. Doktor Patrik Högsmed, Chefarzt. Sein Name stand unter einer Stellenanzeige, die Jan Mitte Juni entdeckt hatte:
    ERZIEHER(IN)/VORSCHULLEHRER(IN)
für »Die Lichtung« als Vertretung gesucht.
    Der Text unter der Überschrift ähnelte vielen anderen, die er bereits gelesen hatte:
    Sie sind Erzieher(in) und/oder Vorschullehrer(in), gerne männ­lich und jünger, da wir eine gleichberechtigte und gemischte Personalgruppe anstreben.
    Als Mensch ruhen Sie in sich selbst und sind offen und ehrlich. Sie mögen Spiele und Musik und alle Arten kreativer Tätigkeit. Unsere Vorschule liegt in einer reizvollen Umgebung, deshalb sollten Sie Ausflüge in Wald und Flur schätzen.
Sie wollen aktiv für eine positive Stimmung in der Vorschule sorgen und sich gegen alle Formen von Diskriminierung stellen.
    Vieles davon traf auf Jan zu. Er war ein junger Mann, ausgebildeter Vorschullehrer, er mochte Spiele, und er hatte in seiner Jugend eine Weile Schlagzeug gespielt, allerdings meist für sich allein.
    Diskriminierungen konnte er aus persönlichen Gründen nicht leiden.
    Aber war er offen und ehrlich? Je nachdem. Auf jeden Fall war er gut darin, offen zu wirken.
    Schlussendlich war es die Adresse der Kontaktperson, die Jan dazu veranlasst hatte, die Anzeige auszuschneiden. Der Ansprechpartner hieß Oberarzt Dr. Patrik Högsmed, und seine Anschrift lautete: Geschäftsleitung, Forensische Psychiatrische Klinik Sankt Patricia, Valla.
    Es war Jan schon immer schwergefallen, sich selbst anzupreisen, doch die Anzeige hatte mehrere Tage auf dem Küchentisch gelegen und ihn angestarrt, und irgendwann hatte er doch dort angerufen.
    Â»Högsmed«, sagte eine leise Männerstimme.
    Â»Doktor Högsmed?«
    Â»Ja?«
    Â»Ich heiße Jan Hauger, und ich interessiere mich für die freie Stelle.«
    Â»Welche Stelle?«
    Â»Die Stelle als Vorschullehrer bei Ihnen. Ab September.«
    In der Leitung war es kurz still, ehe Högsmed antwortete: »Aha, ja, die ...«
    Högsmed sprach leise, er wirkte zerstreut. Doch dann antwortete er mit einer Frage: »Und warum interessieren Sie sich für die Stelle?«
    Â»Nun ...« Die Wahrheit konnte Jan nicht sagen, also hätte er jetzt anfangen müssen, zu lügen oder zumindest Dinge zu verschweigen. »Ich bin neugierig«, erwiderte er deshalb einfach nur.
    Â»Neugierig«, echote Högsmed.
    Â»Ja ... auf den Arbeitsplatz und auf die Stadt. Ich habe hauptsächlich in Einrichtungen in

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