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Das falsche Urteil - Roman

Das falsche Urteil - Roman

Titel: Das falsche Urteil - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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Frau. Die Frau, zu der ihre Mutter nie geworden ist; es gibt in allem eine klare Linie und eine erbarmungslose schwarze Logik, gegen die sie sich nicht wehren kann. Eine Vorsehung, denkt sie.
    Aber gebe Gott, dass aus der Sache mit diesem Juhanis endlich etwas wird.
    Gebe Gott, dass sie sich bald entscheiden und dass er sie von hier fortholt.
    Das gebe Gott.

     
    Wann?
    Wann ist die erste glasklare Ahnung diesmal durch sie hindurchgejagt?
    Am selben Tag? An diesem verregneten Nachmittag im September, als Herr Nimmerlet den Leichnam entdeckt hat?
    Vielleicht. Vielleicht wusste sie es sofort. Und hat es verdrängt und die Tür verschlossen. Hat sofort zu ihrer verqueren Ausflucht gegriffen und sie mit Haut und Haaren verschlungen; er war doch an diesem Tag gar nicht in der Stadt gewesen. Er war mit der defekten Säge nach Ulming gefahren, sie hatte das im Kalender überprüft, es musste an dem Tag gewesen sein ... und unterwegs hatte er bei Morrisons vorbeigeschaut, nur waren die nicht zu Hause gewesen. Das alles hatte er ihr erzählt, und sein Verhalten oder sein Auftreten waren wie immer gewesen. Ganz normal.
    Und die Säge war nicht mehr zu reparieren gewesen, aber natürlich hatte er sich erkundigt, und da Ulming und Maardam mehrere Dutzend Kilometer auseinander liegen, kann er es nicht gewesen sein. Nicht diesmal; diesmal war es Verhaven, es muss Verhaven gewesen sein.
    Schuldig!
     
    Und doch ahnt sie, dass es nicht stimmt.
    Liegt in ihrem großen Bett im frisch renovierten Schlafzimmer und weiß es. Und ist von diesem schwarzen Wissen noch fester gebunden. An ihn und an das Schweigen, so kommt es ihr vor; noch bitterer, stärker und deutlicher als je zuvor in diesen überreizten, schlaflosen Nachtstunden.
    Er und sie. Ehemann und Ehefrau.
    Aber nie Mann und Frau. Nicht seit Andreas Geburt. Während dieser vielen Jahre sind sie nicht mehr beieinander gewesen. Sie hat ihren Schoß verschlossen und ihn ausgesperrt, so ist es passiert. So wurde dieser starke und gesunde Mann in einen verwandelt, der zu den Nutten geht. In einen verheirateten Mann, der jeden Monat mit
dem Auto in die Stadt fährt, um seine gequälten Triebe mit gekaufter Liebe zum Schweigen zu bringen.
    Dazu hat sie ihn gemacht.
    Und zu einem Mörder.
     
    Er und sie. Dieses unausweichliche Wissen. Aber die Wahl, hat sie denn jemals eine Wahl gehabt?
    Nein, denkt sie und schluckt auch das. Eine Wahl habe ich nie gehabt.
     
    Sie setzt sich auf. Wischt sich mit dem Handrücken den kalten Schweiß von der Stirn. Versucht ihre Schultern zu entspannen und tief und ruhig durchzuatmen, während sie aus dem Fenster schaut. Über die dunkle dunkle Silhouette des Tannenwaldes, der sich vor dem Osthimmel abzeichnet.
    Gott, denkt sie. Kann das jemand verstehen?
    Kannst du das?
    Sie faltet die Hände, aber die Worte des Gebets sind weiterhin in ihr gefangen.
    Ich nehme die Strafe auf mich, denkt sie. Bestrafe mich für mein Schweigen. Lass mich für immer im Bett liegen! Lass mich ... ja, genau das. Lass mich mit diesen schleppenden Schritten durch dieses Haus aufhören, das mein Zuhause und mein Gefängnis ist. Lass mich hier bleiben.
    Möge mein lädiertes Becken für alle Zeit zerbrechen.
    Sie lässt sich wieder auf die Kissen zurückfallen und weiß plötzlich, dass es so kommen wird. Genau so.
    Und möge es trotz allem eine Art Sinn geben. Am Ende kommen dann auch die Worte über ihre Lippen. Möge ... möge meine unergründliche Finsternis zum Licht meiner Tochter werden, flüstert sie in die Nacht hinaus. Ich bitte nicht um Vergebung! Ich bitte nicht um Verzeihung! Ich bitte um nichts. Gott strafe mich!
    Danach nickt sie wieder ein und fast wie eine Antwort jagen die Schmerzenspfeile durch ihren Leib.

XII
29. – 31. Mai 1994

42
    Der Regen hatte ihn fast auf der ganzen Fahrt begleitet, doch als er die Küste erreichte, besserte sich das Wetter. Die untergehende Sonne durchbrach hinten am Horizont die Wolken und ließ Lichtbündel über das kabbelige Meer jagen. Die Luft roch salzig und frisch, als er aus dem Auto ausstieg, und er blieb einige Sekunden stehen und sog sie in tiefen Zügen ein. Über dem Wasser segelten Möwen und füllten die Bucht mit ihrem selbstsicheren, gedehnten Geschrei.
    Das Meer, dachte er noch einmal.
    Am Strand zwischen den beiden Anlegern – er war nicht lang, höchstens einen Kilometer – waren nach dem Regen nun Menschen aufgetaucht. Einige Hunde jagten einander, Jugendliche spielten Volleyball, ein Fischer ordnete

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