Das fehlende Glied in der Kette
nie wirklich mit Mr. Inglethorp gesprochen hat. Wie sollte er dann bezweifeln, dass der Mann mit dieser Kleidung, diesem Bart und der Brille Alfred Inglethorp ist?»
«Das mag wahr sein», sagte ich, fasziniert von Poirots Beredsamkeit. «Aber wenn das der Fall ist, warum sagt er dann nicht, wo er am Montagabend war?»
«Ja, warum wohl nicht?» Poirot beruhigte sich allmählich wieder. «Wenn er verhaftet würde, dann würde er wahrscheinlich sprechen, aber ich möchte nicht, dass es so weit kommt. Ich möchte, dass er den Ernst seiner Lage erkennt. Es steckt natürlich irgendetwas Ehrenrühriges hinter seinem Schweigen. Auch wenn er nicht seine Frau ermordete, ist er nichtsdestotrotz ein Lump, und er hat irgendetwas zu verbergen.»
«Was könnte das sein?», überlegte ich. Poirot hatte mich fast überzeugt, obwohl ich immer noch die schwache Hoffnung hegte, dass die offensichtliche Schlussfolgerung die richtige war.
«Können Sie das nicht erraten?», Poirot lächelte.
«Nein, und Sie?»
«Oh ja, ich hatte vor kurzem eine kleine Idee – und die hat sich als richtig erwiesen.»
«Davon haben Sie mir nie erzählt», sagte ich vorwurfsvoll.
Poirot breitete entschuldigend seine Hände aus.
«Verzeihen Sie mir, mon ami, aber Sie waren nicht unbedingt sympathique.» Er fuhr ernst fort: «Sagen Sie mir – verstehen Sie jetzt, dass er nicht verhaftet werden darf?»
«Vielleicht», gab ich unsicher zu, denn das Schicksal von Alfred Inglethorp war mir herzlich gleichgültig, und meiner Meinung nach hätte es ihm gut getan, wenn er mal ordentlich Angst eingejagt bekäme.
Poirot beobachtete mich und seufzte. «Kommen Sie, mein Freund, abgesehen von Mr. Inglethorp – wie fanden Sie die Aussagen bei der Untersuchung?» Er hatte das Thema gewechselt.
«Ach, es war ziemlich so, wie ich erwartet hatte.»
«Fanden Sie denn nichts merkwürdig?»
Meine Gedanken wanderten zu Mrs. Cavendish, aber ich zögerte: «Was meinen Sie damit?»
«Na, zum Beispiel die Aussage von Mr. Lawrence Cavendish?»
Ich war erleichtert. «Ach, Lawrence! Nein, da fiel mir nichts auf. Er ist immer so nervös.»
«Fanden Sie seine Theorie, dass seine Mutter versehentlich an einer Überdosis ihrer Medizin starb, nicht seltsam? Nein?»
«Nein, nicht dass ich wüsste. Die Ärzte machten sich natürlich darüber lustig, aber ich fand es eine ganz natürliche Ansicht für einen Laien.»
«Aber Monsieur Lawrence ist kein Laie. Sie selbst haben mir erzählt, dass er Medizin studiert und sogar den Doktor gemacht hat.»
«Ja, das stimmt. Das hatte ich ganz vergessen.» Ich war ziemlich verblüfft. «Das ist seltsam.»
Poirot nickte.
«Sein Verhalten war von Anfang an merkwürdig. Er allein von allen Hausbewohnern hätte die Symptome einer Strychninvergiftung erkennen können, aber des ungeachtet ist er der Einzige in der ganzen Familie, der an der Theorie eines natürlichen Todes festhält. Bei Monsieur John hätte ich das verstanden. Er hat keine Sachkenntnis und ist von Natur aus phantasielos. Aber Monsieur Lawrence – nein! Und heute liefert er noch eine Theorie, von der er gewusst haben muss, dass die absolut lächerlich ist. Darüber sollten wir einmal nachdenken, mon ami!»
«Das ist sehr verwirrend», gestand ich.
«Dann wäre da noch Mrs. Cavendish», fuhr Poirot fort. «Noch jemand, die nicht alles erzählt, was sie weiß! Wie fanden Sie ihr Verhalten?»
«Ich werde daraus nicht schlau. Eigentlich erscheint es undenkbar, dass sie Alfred Inglethorp zu schützen versucht, aber es sieht ganz danach aus.»
Poirot nickte nachdenklich. «Ja, das ist seltsam. Eins ist sicher – sie hat einen Gutteil mehr von diesem ‹Privatgespräch› gehört, als sie zugeben wollte.»
«Und trotzdem ist sie der letzte Mensch, dem man unterstellen würde, dass er an der Wand lauscht!»
«Ganz recht. Ein Punkt in ihrer Aussage hat mir gezeigt, dass ich mich geirrt habe. Dorcas hatte völlig Recht. Der Streit fand früher am Nachmittag statt, so gegen vier, wie sie es gesagt hat.»
Ich sah ihn fragend an, denn ich hatte seine Hartnäckigkeit in diesem Punkt nie verstanden.
«Ja, heute sind einige merkwürdige Fakten aufgetaucht», nahm Poirot den Faden wieder auf. «Zum Beispiel dieser Dr. Bauerstein – wieso lief er schon so früh am Morgen dort herum? Ich habe mich gewundert, dass dazu niemand etwas gesagt hat.»
«Vielleicht leidet er unter Schlaflosigkeit», sagte ich zweifelnd.
«Das könnte eine gute oder eine sehr schlechte Erklärung
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