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Das Fest Der Fliegen

Das Fest Der Fliegen

Titel: Das Fest Der Fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
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Kegelschnecken am Boden die Witterung seines Fleisches aufnahmen. Langsam und zielstrebig bewegten sie sich auf seine Finger zu, mit denen er die Borstenwürmer angefasst hatte. Ihr hervorragender Geruchssinn führte sie direkt zu ihm hin. Noch einmal betrachtete er die Schönheit von Conus stercusmuscarum, Conus circumcisus, Conus striatus, Conus geographus und Conus textile . Als sie nahe genug waren, schloss er die Augen und begann stumm zu beten.
    Auf den letzten Metern vor dem Mühlenhof, der einst Peter Gottfreund gehört hatte, schaltete Swoboda die Scheinwerfer aus, ließ den BMW ausrollen und sah in den Rückspiegel. Schon in den Straßen von Zungen hatte er das Gefühl gehabt, dass ihm ein Wagen folgte. Aber im Rückspiegel war nur das Dunkel unter den Bäumen, das Mondlicht auf ihren Blättern. Vor ihm stand ein Skoda im Mühlenhof. Er setzte zurück und fuhr seitwärts zwischen zwei Stämme, wo der Boden etwas abfiel, schaltete den Motor ab und stieg aus. Er hörte den Schrei. Burton hatte de Cupis angewiesen, seine wenigen Sachen aus der Villa zu holen, sofort aufzubrechen und die Adressen, die er auswendig gelernt hatte, während der Fahrt in seinem Wagen laut zu wiederholen. Er hatte ihm die Briefe und die Karte mit der Geheimnummer für ein Konto der Stiftung ausgehändigt. Dann war er zurück zur Mühle gefahren. Er fand einen verängstigten Philippe de la Chambre vor, der in einer Ecke hinter dem Mahlwerk kauerte und unaufhörlich etwas von Teufeln und Engeln stammelte. Burton zog ihn ans Licht und zum Tisch, auf dem die Grappaflasche stand. Mit einem Griff in den Nacken zwang er ihn in die Knie und betete vor: »Göttliche Jungfrau, du sprichst zu uns: Meine Kinder, wenn ihr eure Herzen nicht aufschließt eurem Vater im Himmel, werdet ihr nicht leben. Keinen Ausweg gibt es für die, die nicht glauben und beten. Nur die große Bestie wird bei ihnen sein und wird sie zerquälen in alle Ewigkeit. Dies ist das Los derer, die ihr Herz nicht der Jungfrau anvertrauen in Liebe. Sie sind verworfen auf alle Zeit. Amen.« Obwohl de la Chambre kaum zuhörte, beruhigte ihn das Gebet. Er setzte sich an den Tisch, trank ein Glas Schnaps, hörte zu zittern auf und berichtete. Petrus Venerandus erfuhr, was geschehen war. Er schrie auf. »Salviati!« Er schrie den Namen hoch ins Gebälk des alten Mühlenhauses. Salviati hatte Martina Matt zur Flucht verholfen! Salviati, an dem er niemals gezweifelt hatte, riss die Engelslegion ins Verderben. Judas! Warum musste die Jungfrau dies zulassen? Welche Prüfungen seiner Liebe verlangte sie noch? »Salviati!« Swoboda machte zwei Schritte aufs Haus zu und blieb stehen. Es war nicht Martinas Stimme. Hinter ihm schlug die Wagentür zu. Der Schlag war dumpf, aber er drang durch die Nachtstille. Swoboda öffnete den Kofferraum und nahm den Wagenheber heraus. Der BMW stand schräg, die Fahrertür hatte nachgegeben. Er fand den Mühlenraum leer vor und stieg die Treppe zu Peter Gottfreunds alter Bibliothek hinauf. Die beiden Mönche in ihren dunklen Kutten nahmen ihn hinter dem Türrahmen von beiden Seiten in Empfang und er hörte, bevor er zuschlagen konnte, einen Satz, der seine Bewegungen einfrieren ließ: »Die Injektionsspritze ist direkt an Ihrem Hals, Swoboda.« Er ließ den Wagenheber fallen. Auf einmal wusste er alles. Wie ein Blitz durchfuhr ihn die Erkenntnis: So nah war der Irrsinn gewesen! Keiner hatte es sich vorstellen können … Aber in einem einzigen Augenblick fügte sich alles. Leicester Burtons Interesse für die Mühle … Seine Kunstkenntnis … Der Selbstmord Ranuccios in der Mahr … Der Mord an Schnaubert … Der Mobilfunkbereich um Zungen an der Nelda … Folgsam ließ er sich zu dem Lesesessel führen, setzte sich, versuchte, seine Begleiter zu erkennen. Die großen Kapuzen verschatteten die Gesichter. Die Warnung war von seiner linken Seite gekommen. Der Mönch rechts hielt die Spritze. Er war nervös, seine Hand, sein ganzer Körper vibrierte. Swoboda bemühte sich, keine unkontrollierte Bewegung zu machen. Er dachte über die Stimme des Warners nach. War es wirklich Burton? Er provozierte eine Wiederholung. »Glauben Sie, ich fürchte mich vor Kochsalzlösung?« Der Mönch links neben ihm lachte leise. »Oder haben Sie Conotoxin geladen?« Die Körper beider Begleiter reagierten mit winzigen Bewegungen. Swoboda dachte an seinen Tod. Sein Gedächtnis arbeitete präzise und spielte ihm in Sekunden sein Leben vor. Erstaunt stellte er fest, dass er

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