Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Fest Der Fliegen

Das Fest Der Fliegen

Titel: Das Fest Der Fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
Vom Netzwerk:
für die Menschheit ist? Du? Wer bist du? Was berechtigt dich dazu, eine derart große Sache wie das Heil der Seele zu bezweifeln? Die Menschheit ist heute schlimmer als vor der Sintflut! Glaubst du, wir töten aus Mordlust?« »Nein. Sie bekommen Ihre Befehle direkt von der Gottesmutter, deren blutrünstiges Wesen ja bekannt ist …« Burton blieb vor ihm stehen. Der Kommissar roch den Atem des Großabts der Engelslegion, richtete sich im Stuhl auf und zwang sich, in die hellen Augen des Fanatikers zu sehen. »Erstaunlich, dass ein Mensch mit deiner Erfahrung so ahnungslos sein kann. Ja, wenn ich zur Heiligen Jungfrau bete, erhört sie mich. Ja, manchmal dringt ein Hinweis des Erzengels bis zu uns, selten genug. Aber meinst du im Ernst, dass unsere Engelslegion irgendeine Bande ist, isoliert, außerhalb der Gemeinschaft der Gläubigen? Kannst du dir überhaupt vorstellen, welcher Kampf in der heiligen römischen Kirche tobt? Hast du angenommen, ein Werk wie das unsere, die Inquisitio Haereticae Pravitatis, könne unabhängig von Rom existieren? Was für eine naive Vermutung!« »Ich denke, Sie sehen den Satan auf dem Heiligen Stuhl sitzen! Jedenfalls kennt die Kommission Ecclesia Dei Ihren Mordverein überhaupt nicht!« Der Großabt schwieg. Er wandte sich ab. Mehr vor sich hin sagte er: »Da du unser Gespräch ohnehin nicht überleben wirst: Ja, wir stehen unter dem Antimodernisteneid von Papst Pius X., ja, wir sind Sedisvakantisten, aber glaubst du wirklich, dass wir die einzigen sind? Und dass ich, Petrus Venerandus, Großabt der Engelslegion, dieses große Werk allein vollbringen könnte? Wie wenig du doch weißt vom Krieg um die Seelen, kleiner Polizist!« Er wandte sich zum Gehen, und Swoboda rief, um ihn aufzuhalten: »Ganz egal, wie Sie es nennen, Burton, es ist nichts als primitiver Mord. Feige aus dem Hinterhalt, ohne jede Moral, ohne den Auftrag des Himmels, es ist nur Blut an Ihren Händen, Burton, kein Herzblut der Jungfrau, kein Segen, kein Glück, nur Kainsblut wie bei jedem Mörder!
    Und genau so wird man Sie vor Gericht behandeln! Glauben Sie nicht, Sie kommen mit dieser Mariennummer durch, Sie werden im Knast enden unter all den anderen Totschlägern und Mördern, und die werden Ihnen das Leben zur Hölle machen! Denn da gehören Sie hin, Burton, in die Hölle, wo sie am tiefsten ist!« Der Großabt war mit dem Rücken zu Swoboda stehen geblieben und hatte die Rede angehört. Langsam wandte er sich um und streifte die Kapuze zurück. Sein Gesicht war weiß, Nase und Kinn sprangen noch härter hervor. »Gott befahl Abraham, seinen eigenen Sohn zu töten. Er hätte das Blut seines Kindes an den Händen gehabt. Aus Gehorsam. Gehorsam, kleiner Polizist, Gehorsam gegen Gott und die Engel! Das ist etwas, was einer wie du nie verstehen wird. Papst Paul IV., der die Aufgaben der Inquisition erfreulich erweitert und die Juden in Gettos gewiesen hat, wird von uns sehr verehrt. Wegen eines Satzes, den man nie vergessen darf: Selbst wenn mein eigener Vater Häretiker wäre, hat Paul IV. gesagt, würde ich das Holz zusammentragen, um ihn verbrennen zu lassen . So denken wir über das Blut an unseren Händen! Es ist das Blut des Gehorsams. Es ist das Blut der heiligen Pflicht. Und was die Hölle betrifft: Du wirst vor mir dort sein! – Walte deines Amtes, Philippe!« Philippe de la Chambre griff mit der Linken in Swobodas Haar, um den Kopf zu halten. Die Kanülenspitze setzte er neben dem Kehlkopf direkt über der Halsschlagader auf die Haut. Swoboda hielt still. Er wunderte sich, dass er keine Angst hatte. Etwas in ihm schien damit einverstanden zu sein, dass sein Leben hier endete. Er sah in dem nachtschwarzen Ausschnitt der Stiegentür zwischen den Regalen etwas aufleuchten und erkannte das Mündungsfeuer. Dann war die Nadel nicht mehr an seinem Hals. Er hörte den Knall. Der Mönch neben ihm fiel zu Boden. Hinter ihm gab Burton ein Fauchen von sich und rannte die Treppe hinunter. Kriminalhauptkommissar Rüdiger Törring betrat mit der Waffe am ausgestreckten Arm sichernd den Raum. Er ging zu dem am Boden liegenden Mönch. Unter der Kapuze lief Blut über die Holzbohlen und versickerte in den Ritzen. Draußen heulte ein Motor auf, das Geräusch entfernte sich schnell. Als Törring sah, dass es keine Bedrohung mehr gab, ließ er die Pistole sinken und blickte Swoboda ins Gesicht. »Ich weiß, was Sie jetzt sagen wollen, Chef, ich soll nicht so tun, als wäre ich Ihr Vater, weil ich doch Ihr Sohn sein könnte.

Weitere Kostenlose Bücher