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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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bändigen. Sein Fell glänzte wie Dolomit in der Sonne, die Sehnen an seinem Hals traten deutlich hervor, die Beine tänzelten unruhig. Welch ein Zusammenspiel von Kraft und Schönheit! Ruth konnte sich kaum von seinem Anblick lösen. Ihre weißen Schuhe waren bereits schmutzig, der Absatz des linken verbogen, doch das merkte sie kaum. Beide Unterarme auf einer Gatterstange abgestützt sprach sie leise auf den Hengst ein, der vor ihr stand und wild schnaubte. »Na, Gewitter, ist es dir hier auch zu laut? Das müssen wir beide wohl heute aushalten. Wir sind für das Land gemacht, nicht wahr, mein Schöner? Aber ein so prachtvoller Hengst wie du muss sich auch vorzeigen lassen.«
    »Na, Ruth, altes Haus.« Jemand schlug ihr kumpelhaft eine Hand ins Kreuz.
    Ruth schrak auf und fuhr herum. »Hey, Nath, bist du gekommen, um mich siegen zu sehen?«
    Der junge Mann lachte. »Du hast die letzten Male gewonnen. Deine Glückssträhne ist vorüber, glaub’s mir! Heute gewinne ich!« Der Farmer aus der Nachbarschaft von Salden’s Hill stutzte und betrachtete sie mit einem Mal, als hätte er sie noch nie gesehen. »Ist das … Das ist doch nicht etwa ein Kleid ?«, fragte er verblüfft.
    »Nein, ein Futtersack!«, erwiderte Ruth beleidigt und wandte sich wieder dem Hengst zu.
    Nathaniel Miller lachte und hieb ihr noch einmal fröhlich ins Kreuz. »Hey, Ruth, sei doch nicht gleich eingeschnappt! Aber du in einem Kleid, das ist … Das ist …«
    »Das ist was ?« Ruth fuhr herum und funkelte Nath wütend an. »Was ist ein Kleid an mir, na?«
    Er wich zurück und hob abwehrend die Hände. »Nichts, es ist nur ungewohnt. Und, ähem, ja, du siehst gut aus in dem Kleid.« Er grinste unbeholfen, drehte sich um und verschwand, so schnell er gekommen war, in der Zuschauermenge.
    Ruth schnaubte verächtlich durch die Nase. »Pfff! Farmer! Keine Ahnung von Frauen, keine Ahnung von irgendwas. Nur Schafscheiße im Kopf!«
    Sie lehnte sich mit dem Rücken an die Stange und betrachtete das Gewimmel um sich herum. Links war ein großes Gatter aufgebaut, in dem die Wettkämpfe im Viehtreiben stattfinden sollten, rechts befand sich der Schuppen zum Schafescheren, daneben zwei kleine Koppeln und dazwischen ein Gang, der zum Zählen und Drenchen der Schafe gebraucht wurde.
    Wie anders heute alles aussah! Ruth lächelte. Auch wenn Gobabis sich Stadt nannte, war es normalerweise nur ein verschlafenes Nest. Es gab zwar eine Tankstelle, einen Gemischtwarenladen, eine Bäckerei, eine Fleischerei, zwei Kneipen, eine Autowerkstatt, ein Geschäft für Viehfutter und Landwirtschaftsbedarf, eine Apotheke, eine Bank und ein Bekleidungsgeschäft, doch städtisches Flair hatten, wenn überhaupt, nur Windhoek und Swakopmund. Aber auch dort gab es weder Straßen- noch U-Bahnen, und die Flaniermeilen waren so kurz, dass auch die behäbigsten Spaziergänger sie in einer Stunde auf- und abgeschritten waren. Heute jedoch war Gobabis herausgeputzt wie ein junges Mädchen vor dem ersten Tanzabend. Auf der Terrasse des einzigen Hotels hatten sich ihre Mutter sowie Mrs. Weber, Mrs. Miller und Mrs. Sheppard von den Nachbarfarmen niedergelassen. Nicht nur Rose hatte sich heute besonders schick gemacht. Auch die anderen drei wirkten, als wollten sie am Abend ins Theater nach Windhoek und nicht nur auf den Farmerball der Kleinstadt.
    Ruth winkte kurz zu den Frauen hinüber und schlenderte dann zu dem Feld, auf dem das Schafestemmen stattfinden sollte. Die jungen Farmer hatten sich bereits aufgereiht, die Arme ein wenig angewinkelt, die Brust gebläht. Hier ging es nicht um Farmwirtschaft, hier ging es um Kraft und Stärke. Der Sieger des Schafstemmwettbewerbs konnte fast sicher sein, am Abend mit dem schönsten Mädchen den Tanz eröffnen zu können. Ruth musste noch immer kichern, wenn sie daran dachte, wie sie den Männern in den letzten Jahren die Show gestohlen hatte. Auch jetzt beäugten die Wettbewerbsteilnehmer sie misstrauisch; doch dann schienen die Männer das Kleid und ihre Schuhe zu bemerken, denn es ging ein Aufatmen durch die Männerrunde. Endlich, endlich waren sie wieder unter sich.
    Fachkundig betrachtete Ruth die Muskeln der Wartenden. Nath machte eine recht gute Figur, und dennoch war zweifelhaft, ob er tatsächlich eine Chance hatte zu gewinnen. Ruth jedenfalls hatte ihn bisher noch immer bezwungen. Außerdem war Nath keine Kämpfernatur, sondern eher ein Spieler, der alles auf die leichte Schulter nahm. Er war bekannt dafür, jeder Schürze

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